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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0093

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III. Die Maler zur Zeit des peloponnesischen Krieges.

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haupt die Kunst, Männer zu malen, enthalten schien; zu Plinius Zeit im Friedens-
tempel zu Rom: Plin. 1. 1.

Trotz dieser geringen Zahl von Werken müssen wir Timanthes den be-
deutendsten Künstlern beizählen, nicht sowohl, weil er gelegentlich Parrhasios
wie Kolotes besiegte, sondern wegen des Urtheils, welches Plinius über ihn fällt:
„Dem Timanthes war eine angeborene Gabe der Erfindung (ingenium) sogar im
höchsten Maasse eigen. . . . Seine Werke zeichnet es vor allen andern aus,
dass man in ihnen stets mehr erkennt, als eigentlich gemalt ist; und obwohl
die Kunstfertigkeit (ars) auf der höchsten Stufe steht, so geht doch der Er-
findungsgeist noch über die Kunstfertigkeit hinaus." Der Ausdruck ars be-
zeichnet hier offenbar die Technik im weitesten Sinne, die Mittel der Darstellung,
so weit sie auf Kenntniss der Form, wie der Farbe beruhen. Bei dieser All-
gemeinheit der Bedeutung gewinnen wir freilich von dem besonderen Verdienste
des Timanthes keinen bestimmten Begriff; ja eine Aeusserung Gicero's1) scheint
sogar das Lob des Plinius einigermassen zu beschränken. Allein wenn Cicero
den Timanthes und Zeuxis mit Polygnot und denen, welche nur vier Farben
angewendet, zusammenstellt, so liegt darin, wie wir schon früher bemerkten,
ein zu grosser Widersprach mit allen sonstigen Ueberlieferungen, als dass wir
uns nicht zu der Annahme berechtigt erachten sollten: Cicero habe einfach
diese Gruppe von Künstlern als Repräsentanten der älteren Kunstübung im
Gegensatz zu der jüngern gefasst, deren Mittelpunkt Apelles ist, und mit welchen
sie sich allerdings in Hinsicht auf allseitige technische Vollendung nicht zu
vergleichen vermochte. Diese Einschränkung ist also durchaus relativ; und wir
mögen daher dem Timanthes wenigstens den Ruhm lassen, in der Durchführung
keinem seiner Zeitgenossen nachgestanden zu haben. In dieser Beziehung kann
uns das Bild des Heros als Beleg dienen, dessen wahrscheinlich einem Epi-
gramme entnommenes Lob sich nicht unpassend mit dem zusammenstellen
lässt, was von Polyklet und seinem Kanon gesagt wurde: dass er allein die
Kunst selbst in einem Kunstwerke dargestellt habe. — Doch, wie Plinius sagt,
ingenium tarnen ultra artem est. Dieses ingenium kann, wenn wir auch nur
die genannten wenigen Werke des Timanthes in Betracht ziehen wollen, nichts
anderes sein, als die angeborene Gabe, in der Motivirung künstlerischer Auf-
gaben solche Momente aufzufinden, welche nicht nur die Sinne zu befriedigen,
sondern noch mehr den Geist des Beschauers zum Nachdenken auch über das
unmittelbar Dargestellte hinaus anzuregen geeignet erscheinen: intelligitur plus
Semper quam pingitur. Diese Anregung wird natürlich ihrem Grade und ihrer
Stärke nach sehr verschieden sein können: und so ist es z. B. in dem Bilde
des Kyklopen zunächst der reine Verstand, der sich an der Berechnung der
Grösse des Riesen nach Maassgabe der Satyrn erfreuet; in dem Bilde der
Iphigenie beruht auf der Verhüllung des Agamemnon die höchste tragische
Wirkung. Man könnte zwar etwa behaupten wollen, dass dem Timanthes
möglicher Weise hier nur der Ruhm eines glücklichen Einfalles gebühre,
der wohl geeignet sei, ihm den Beifall der nach ähnlichem Effect trachtenden
Redner zu erwirken, aber noch nicht hinreiche, um darauf das Lob einer be-

') Brut. 18.
 
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