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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0122

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112

Die Maler.

tigkeit erworben haben konnte. Die scheinbar so weit entfernten Zeitpunkte
rücken demnach so nahe zusammen, dass sie die Grenzen eines Menschenlebens
keineswggs überschreiten, auch wenn wir annehmen, dass der Antrag des Pto-
lemaeos erst in die Zeit, seiner königlichen Würde falle. Es ergiebt sich dem-
nach die Gemeinschaft mit Praxiteles, etwa Ol. 108—110, als Beginn einer
ruhmvollen Laufbahn; Ol. 112, die Regierung Alexanders, als der Mittelpunkt;
die Verhandlung mit Ptolemaeos, Ol. 118, etwa als der Schluss derselben.

Sofern man nun gegen diese ganze Berechnung den Zusammenhang der
Schule geltend machen und es namentlich unwahrscheinlich finden will, dass
Euphranor, den man mit bestem Rechte einen Zeitgenossen des Praxiteles nennen
kann, Lehrer des Antidotos und dieser erst wieder Lehrer des Nikias im Laufe
von kaum mehr als fünf oder sechs Olympiaden gewesen sei, so muss ich hier-
für, so wie für die ganze eben besprochene Reihe nachdrücklich daran erinnern,
160 dass es sich ja hier, einen zweifelhaften Fall ausgenommen, nirgends um das
Verhältniss von Vater und Sohn, also um eine Rechnung nach Menschenaltern,
sondern von Lehrer und Schüler handelt. Die von Sillig angenommene Be-
rechnungsweise von sechs zu sechs Olympiaden wird dadurch ganz unhaltbar,
und ein Vorschreiten in Zeiträumen von zwei bis drei Olympiaden kann häufig
vollkommen genügend erscheinen. Um nur ein schlagendes Beispiel anzu-
führen, so hat Pietro Perugino, der bei Raphaels Geburt siebenunddreissig
Jahre zählte, über fünfzig, als sich dieser noch in seiner Schule befand, nach
dieser Zeit es noch erlebt, dass Giulio Romano, Raphaels Schüler, wiederum
Schüler bildete, und das in dem Zeiträume von 1500—1524.

Sollte schliesslich jemand die Frage aufwerfen, warum nicht Nikias den
Unterricht des Euphranor dem seines minder berühmten Schülers vorgezogen
habe, so dürfte man dieselbe als völlig unbefugt geradezu abweisen. Doch lässt
sich eine Antwort finden, die unsere obigen Ansichten nur bestätigt. Ich glaube
nemlich den Grund für die schnelle Aufeinanderfolge von Lehrer und Schüler
in dem verschiedenen Vaterlande und den vielfachen Reisen einzelner Künstler
zu finden. Die drei ersten Glieder gehören Theben an, Euphranor dem Isthmus,
Nikias Athen. In einer an denselben Ort gebundenen Schule wird häufig der
ältere Meister einen gewissen Vorrang vor dem jüngeren behaupten. Aber nach
Aristides hörte Theben auf, der Mittelpunkt dieser Schule zu sein. Ja, da sich
wenigstens eines seiner berühmtesten Werke zu Korinth befand, ein Aufenthalt
des Künstlers in dieser Stadt also nichts Unwahrscheinliches hat, so wäre es
nicht unmöglich, dass Euphranor dort, nicht in Theben seinen Unterricht genossen
hätte. Euphranor aber, ursprünglich Isthmier, scheint zwar Athener geworden
zu sein, jedoch nicht für immer dort seinen Wohnsitz gehabt zu haben; wenig-
stens malte er für Ephesos. Nehmen wir nun etwa an, dass er Athen, nachdem
er die Schlacht bei Mantinea und die damit im Zusammenhange stehenden
Bilder gemalt, bald verlassen habe, so konnte Nikias wenigstens in Athen gar
nicht einmal sein Schüler werden. — Ich glaube demnach, dass die folgende
107 Genealogie, in welcher nur noch als letztes Glied ein Schüler des Nikias, Om-
phalio, erscheint1), als hinlänglich begründet angesehen werden darf.

>) Puus. IV, 31, 9.
 
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