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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0130

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120 Die Maler.

sehen oder historischen Begehenheit (etwa wie heim Laokoon oder den Niobi-
den) noch ein anderes als ein rein, menschliches Interesse beigewohnt haben.
Dabei ist aber doch das Ganze als Handlung betrachtet, in seinen Grundmotiven
wieder so einfach, dass die volle Wirkung nur durch die höchste Meisterschaft
einer fein gefühlten Durchführung erzielt werden konnte. Wem aber eine solche
Darstellung gelang, dem musste auch Herakles von dem brennenden Schmerze
des Gewandes der Deianeira überwältigt ein willkommener Gegenstand sein;
und aus diesem Grunde habe ich oben das von Strabo erwähnte Gemälde unter
den Werken des Aristides mit anführen zu müssen geglaubt. Bei der wegen
der Liebe zu ihrem Bruder Sterbenden, sei es nun Kanake oder eine andere
Heroine, genügt schon die Bezeichnung des Gegenstandes, um dieses Werk
unter die pathetischen einzureihen. Weniger durch heftige Leidenschaft, als
durch den Ausdruck tiefen Elendes und Schmerzes wird sich das berühmte
Bild eines Kranken ausgezeichnet haben. Nicht ganz so leicht ist es, bestimmte
Beispiele für die Darstellung zarterer Stimmungen und Empfindungen nachzu-
weisen. Wir können sie allerdings voraussetzen in dem Bilde des Dionysos als
178 den Ausdruck einer mit Schwärmerei verbundenen Weichlichkeit, in dem Bilde
des Alten mit der Leier, welcher einen Knaben unterweist, als den Ausdruck
gespanntester Aufmerksamkeit. Aber nur einmal deutet Plinius die Eigenthüm-
lichkeit in der Auffassung des Künstlers durch einen kurzen Zwischensatz be-
stimmter an, indem er von dem Betenden aussagt, man glaube fast seine Stimme
zu hören. Doch dürfen wir wohl den Versuch wagen, ihn aus einer andern Quelle
zu ergänzen. Ich halte es nemlich für sehr wahrscheinlich, dass wir von den
„Jägern mit der Beute" eine genauere Beschreibung bei dem jüngern Philo-
stratus (3) besitzen. Jäger haben sich im schaltigen Gehölze bei einer Quelle
gelagert, nachdem sie einen Hirsch und eine Sau erbeutet. Während die Diener
das Mahl bereiten, vertreiben sie ihre Zeit im Gespräch über ihre Abenteuer;
der Becher beginnt die Runde zu machen; und auch die Hunde als treue Ge-
hülfen erhalten, was ihnen gebührt. Die Handlung ist hier höchst einfach und
anspruchslos; und selbst Philostratus verzichtet mehr als sonst auf das rheto-
rische Gepränge der Beschreibung: er fand also weder die Grossartigkeit der
Auffassung, wie sie wohl für heroische Stoffe sich schickt, noch besonders geist-
reiche Einfälle, wie sie den Witz und den Scharfsinn des Beschauers zu reizen
pflegen. Das Ansprechende, welches gerade dieses Werk gehabt zu haben
scheint, konnte daher nur in der Lebendigkeit des Ausdruckes, der freien lebens-
vollen Charakteristik der einzelnen Figuren begründet sein: also gerade in Vor-
zügen, auf welchen die wesentliche Eigenthümlichkeit des Aristides beruht. Und
in der That hebt auch Philostratus besonders hervor, wie jede der Figuren so
ganz in der Situation lebt, in welche sie der Künstler versetzt hat: der Er-
zählende, die Zuhörer, der Sänger, die Bereiter des Mahles, selbst die Hunde
vereinigen sich zum Ausdruck der behaglichsten Stimmung, die sich unvermerkt
dem Beschauer mittheilen musste. — Wir würden geneigt sein, noch eine andere
Gemäldebeschreibung des älteren Philostratus l): Dionysos und Ariadne, auf ein
Original des Aristides zu beziehen: der liebetrunkene Ausdruck des Gottes, der

i) I, 15;
 
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