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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0136

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doch ergiebt, dass seine Proportionen von denen des Parrhasios sich unter-
scheiden mussten. Und so fügt auch Plinius hinzu, dass Euphranor: ,,in der
Gesammtheit der Körper zu schmächtig, in den Köpfen und Gliedern zu gross
war1)." Dieser Tadel welchem es zuzuschreiben sein mag, dass seine Lehre
sich nur eines geringen Erfolgs zu erfreuen hatte, weshalb er von Vitruv 2) nur
unter den weniger bedeutenden Schriftstellern über Symmetrie angeführt wird,
dieser Tadel, sage ich, findet sich nun bei Plinius 3) fast mit denselben Worten
hinsichtlich des Zeuxis wiederholt, wo wir ihn aus einer gewissen Breite der
malerischen Behandlung zu erklären gesucht haben. Wenn uns nun auch die
Veranlassung fehlt, ihn bei Euphranor auf dieselbe Ursache zurückzuführen, so
ist es doch noch viel weniger möglich, ihn aus einer Verwandtschaft mit den
187 Bestrebungen des Parrhasios herzuleiten, dessen Hauptverdienst gerade in der
Feinheit der Extremitäten gesehen ward. Es handelt sich hier vielmehr um
einen bestimmten Gegensatz beider Künstler in der Benutzung der Natur für
Zwecke der Kunst, welchen wir jedoch durch anderweitige Nachrichten be-
stimmter erfassen und ergründen müssen und durch die Eigenthümlichkeit in
der Behandlung der Proportionen nur nachträglich bestätigen können.

Euphranor selbst verglich seinen Theseus mit dem des Parrhasios: letz-
terer erscheine wie mit Rosen genährt, der seinige wie mit dem Fleische des
Stiers. Dieser Vergleich lässt verschiedene Auslegungen zu; und zunächst
möchte man an den Gegensatz eines matteren, rosigeren und eines kräftigeren,
fleischigeren Golorits zu denken geneigt sein. Wenn jedoch Plutarch hinzu-
fügt, in der That sei der Held des Parrhasios, so zu sagen, geleckt behandelt,
auf den des Euphranor dagegen Hessen sich nicht mit Unrecht die Worte an-
wenden: _ , ";;;;:-V

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so geht daraus hervor, dass der letztere in seiner ganzen Erscheinung sich
überhaupt gewaltiger zeigen und durch dieselbe imponiren musste; und diese
Deutung wird unterstützt durch ein Urtheil bei Plinius, dem zufolge Euphranor
„zuerst die Würde der Heroen zum Ausdruck gebracht zu haben scheine" : hic
primus videtur expressisse dignitatis heroum. Dieses Urtheil hat mit manchen
ähnlichen bei Plinius das gemein, dass es aus sehr guter Quelle stammt, also
für uns einen unbestreitbaren Werth hat, zugleich aber, dass es durch die Art
seiner Fassung zunächst Anstoss zu erregen geeignet ist. Die früheren Maler,
ein Polygnot vor allen andern, sollten die Würde der Heroen nicht zum Aus-
druck gebracht haben? Ein Blick auf das Selbstlob seines Theseus kann uns
wenigstens den Weg zeigen, in welcher Richtung wir die „Würde der Heroen"
bei Euphranor zu suchen haben. Denn betrachten wir es nur genauer, so brauchen
wir es nicht als ein überall gültiges und absolutes, sondern nur als das Lob
eines wenn auch noch so vortrefflichen Naturalisten oder Realisten gelten zu lassen.
188 Der Idealbildung, wie im Allgemeinen, so bei der Darstellung von Heroen, wird
immer jene edle Einfalt und stille Grösse eigen sein müssen, welche Winckel-

J) seil f'iiit in universitate corporum exilior et capitibus articulisque grandior. 2) VII,
praef. S 14. 35, C4: reprehenditur tarnen ceu grandior in capitibus articulisque.
 
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