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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0187

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IV. Die Maler vom Ende des peloponn. Krieges bis zum Tode Alexanders d. Gr. 177

vermochten sie doch, wo selbst materiell noch so grosse Schwierigkeiten zu
überwinden waren, nicht sogleich alle Keime zu völliger Entfaltung zu bringen.
Es sind zunächst einzelne Individualitäten, die sich aus sich selbst heraus-
bilden, die. aber eben, weil ihre Bestrebungen mehr subjectiver Art sind, ziem-
lich vereinzelt dastehen, ohne sofort der nachfolgenden Entwicklung feste und
bestimmte Bahnen anzuweisen. Wohl aber bereiten sie dieselbe vor, indem
ihre Leistungen in umfassender Weise anregen und namentlich darauf hin-
wirken mussten, dass man sich von den Bedingungen und Forderungen rein
malerischer Darstellung bestimmtere Rechenschaft zu geben suchte. So tritt
denn die folgende Periode keineswegs in einen bestimmten Gegensatz zu ihnen;
aber eben so wenig knüpft sie direct an sie an. Im Besitze der Mittel, welche
S1e, so zu sagen, von ihrer Vorgängerin ererbt hat, beginnt sie alsbald ihre
eigenen Wege einzuschlagen. Sie verfolgt nicht, so natürlich dies auch scheinen
musste, den Gegensatz der Farbe und der Form, wie er in den Bestrebungen
des Zeuxis und Parrhasios sich ausgebildet hatte, sondern gliedert sich zu-
nächst nach den zwei hauptsächlichsten Seiten künstlerischer Geistesthätigkeit
überhaupt; indem sich eine mehr auf unmittelbarer Anschauung und Auffassung
der Natur beruhende, und eine mehr reflectirende, aus der Beobachtung auf
die Gesetze des Seins zurückschliessende Richtung von einander scheiden. In
diesem Sinne treten sich die thebanisch-attische und die sikyonische Schule
gegenüber, so dass sich also hier auf dem Gebiete der Malerei dieselbe Er-
scheinung wiederholt, welche wir bereits in der Geschichte der Bildhauer zu
beobachten Gelegenheit hatten.

Besonders deutlich offenbart sich die Wechselwirkung zwischen beiden
Künsten in der sikyonischen Schule: wusstcn wir doch die Bestrebungen des
Pamphilos nicht besser zu erklären, als durch eine Vergleichung mit denen des
Polyklet. Der Ruhm der sikyonischen Maler beruht nicht auf einzelnen Werken,
welche durch eine in die Augen springende Genialität der Auffassung, durch
überraschende Schilderung psychologischer Zustände oder pathetischer Affecte
Bewunderung erregt hätten: den Epigrammendichtern, welche derartige Ver-
dienste so bereitwillig zu preisen pflegten, boten sie keinen Stoff; ja ausser 264
Plutarch und Pausanias, welche das Bild des Aristratos, den Eros und die
Methe des Pausanias erwähnen, ist es ausschliesslich Plinius, welcher einzelne
Werke von ihnen namhaft macht; und auch das sind verhältnissmässig doch
nur wenige. Auch nicht eine einseitige Bevorzugung der Farbe oder der Form,
wie sie mehr oder weniger bei Zeuxis und Parrhasios sich findet, tritt uns bei
den Sikyoniern entgegen. Aber wenn sie freilich auch nicht durch Zauber und
Schmelz der Farbe, durch Leichtigkeit und Feinheit in der Behandlung der
Form die Bewunderung der Menge hervorrufen, wie jene Maler, so ist bei ihnen
dafür den beiden häufig in einem gewissen Gegensatze stehenden Seiten der
rsyvri eine gleichmässige Berücksichtigung zu Theil geworden, und vermöge
dieser umsichtigen, ihres Zieles sich stets bewussten Durchbildung ist es ihnen
gelungen, auch die schwierigsten Probleme mit sicherem Erfolge zu lösen.
Schlagend also bezeichnet Plutarch!) das Wesen dieser Schule durch den Aus-

J) Arat. 12.

Brunn, Geschichte der griechischen Künstler. II. 2. Aufl.

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