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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0222

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212 Die Maler.

einen wie niedrigen Begriff diese von der Würde des Künstlers hegten, und
lässt uns von vorn herein annehmen, dass es mit der Würde der Kunst selbst
kaum anders sein konnte. Man suchte alte, berühmte Werke, schätzte sie aber
meistens gewiss noch mehr wegen ihrer Kostbarkeit, als wegen ihres inneren
Werth es; was von neuen Werken begehrt wurde, hatte nur den Zweck, als
Gegenstand des Luxus zum Schmuck und zur Zierde zu dienen. Das zeigt sich
uns recht deutlich, wenn wir die einzige Erscheinung, welche als neu auf dem
Gebiete der Malerei angeführt wird, die Erfindung des Ludius, in's Auge fassen.
315 Man hat diesen Künstler wohl Erfinder der Landschaftsmalerei genannt; allein
wenn dies richtig sein soll, werden wir uns wohl hüten müssen, diese Bezeich-
nung nach unseren heutigen Begriffen zu verstehen. Die neuere Zeit hat die
Landschaftsmalerei in einem Sinne ausgebildet, durch welchen diese wohl be-
rechtigt ist, eine höhere Geltung für sich in Anspruch zu nehmen. Sie schliesst
die gemalte Landschaft zu der Einheit eines wirklichen Kunstwerkes zusammen,
indem sie eine bestimmte poetische Idee, eine eigenthümliche Stimmung der
Natur oder den individuellen Charakter einer Gegend zur Anschauung bringt
und das Walten eines höheren Geistes auch in der leblosen Natur uns ahnen
lässt. Es ist hier nicht der Ort, auf die Frage einzugehen, warum den Alten
die eigentliche Landschaftsmalerei fremd geblieben ist. Aber bei Ludius handelt
es sich um blosse Prospectmalerei, welche nichts mehr als eine Erweiterung und
neue Anwendung der Scenographie ist; es sollen grössere architektonische Räume
in anmuthiger Weise geschmückt werden, und zwar, wie Plinius selbst schliess-
lich angiebt, mit möglichst geringem Kostenaufwande. Dazu eignen sich die
leicht behandelten, hin und wieder durch eine Figur oder eine Gruppe belebten
Prospecte weit mehr, als figurenreiche Bilder. Wenn es dabei auf einen tieferen
Sinn durchaus nicht weiter abgesehen war, so möchten freilich, zwar nicht immer,
aber doch häufig die gleichzeitigen Producte der höheren Gattungen der Malerei
in dieser Hinsicht wenig voraus haben; wenigstens lehrt uns dies ein grosser
Theil der herculanensischen und pompeianischen Wandgemälde, in denen selbst
solche mythologische Scenen, welche einer höheren Auffassung sehr wohl fähig
erscheinen, nicht etwas wegen dieses ihres poetischen Gehaltes, sondern
offenbar nur wegen eines gefälligen und anmuthigen künstlerischen Motives zur
Darstellung gewählt sind. Dagegen hat freilich ein anderer Theil dieser Malereien
für uns dadurch einen unschätzbaren Werth, dass sie trotz ihrer decorativen
Behandlung als Nachbildungen älterer Werke unsere Kenntniss der früheren
Zustände der Kunst vielfältig erweitern. Eine genauere Untersuchung und nament-
lich die Ausscheidung des eigenthüinlich Römischen mag allerdings auch über
die Zustände der Kunst in dieser späteren Zeit uns noch manche Aufschlüsse
316 zu geben im Stande sein; doch wird sich auch hier der Mangel schriftlicher
Quellen vielfach bemerklich machen. Wie dem aber auch sei: über den Aus-
bruch des Vesuv hinaus, der durch eine wunderbare Fügung des Schicksals
jene Schätze der Nachwelt erhielt, und zugleich demjenigen, welchem wir die
reichste Fülle schriftlicher Aufzeichnungen verdanken, dem Plinius, das Leben
kostete, wird sich schwerlich die Geschichte der alten Malerei je im Zusammen-
hange verfolgen lassen.
 
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