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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0314

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Die Gehimenschneider.

angenommen worden. Allein da uns das Alterthum diese Regeln nicht in be-
stimmter Form überliefert hat, so folgte man bei Bestimmung der einzelnen
Fälle mehr einem subjectiven Gefühl, als einer festen Theorie. Und allerdings,
da sich eine solche erst durch Induction aus einer beschränkten und erst nach
und nach sich erweiternden Zahl wenigstens einigermassen gesicherter Bei-
spiele entwickeln lässt, so muss in ihren Bestimmungen zunächst manches
schwankend bleiben und vermag uns nicht sowohl positive Sicherheit, als einen
höheren oder geringeren Grad von Wahrscheinlichkeit zu gewähren. Aber den-
noch, oder vielmehr wegen dieses Schwankens müssen wir um so mehr nach
einer scharfen Formulirung streben, indem nur dadurch die Aufmerksamkeit
auf alle wichtigen Punkte nachdrücklich hingelenkt und es nur dadurch mög-
lich wird, eine feste Grundlage zu gewinnen, von welcher aus jede weitere
Untersuchung erst einen bestimmten wissenschaftlichen Nutzen zu versprechen
vermag.

Der einzige, aber noch ziemlich allgemein gehaltene Versuch einer solchen
Theorie ist von Stephani gemacht worden in einer Note zu dem Köhler'schen
Werke über die Steinschneider (Gesamm. Schriften III, S. 251—258), von dem
wir hier zunächst, ausgehen mögen:

Gegen die Annahme eines Künstlernamens spricht es: 1) „wenn der
Schnitt der Buchstaben von dem des Bildes so verschieden ist, dass es wahr-
scheinlich oder gewiss wird, dass nicht beides von denselben Händen herrühre",
oder „wenn sich die Inschrift auf irgend eine andere Weise als nicht ursprüng-
lich beabsichtigt, sondern als erst später hinzugefügt zu erkennen giebt" (S. 254);

2) „wenn das dem Steine eingeschnittene Bild seinem Inhalte oder seinem
Kunstwerthe nach so unbedeutend ist, dass man nicht glauben kann, ein Künstler
habe es der Mühe werth finden können, seinen Namen beizufügen" (S. 257);

3) „wenn der Name identisch ist mit dem des Bildes oder doch als dessen
Beiname oder nähere Bestimmung aufgefasst werden kann", oder wenn der
Name auf einem Siegelsteine „einen mehr oder weniger engen Begriffszusammen-
hang mit dem Bilde zeigt, so dass man in dem Bilde eine Anspielung auf den
beigeschriebenen Namen finden kann" (S. 256).

4) Ein lateinisch geschriebener Künstlername ist auf Gemmen bis jetzt
wenigstens noch nicht nachgewiesen worden. Dagegen wird die Annahme
Stephani's, dass auch ein römischer, aber griechisch geschriebener Name den
Künstler nicht bezeichnen könne (S. 256), einige Einschränkung erfahren müssen.
Römische Steinschneider mögen selten sein; aber in einem Falle, bei Ge-
legenheit des Felix, hat Stephani selbst die Vertheidigung übernommen. Eben
so ist es im Allgemeinen gewiss richtig, wenn er die Beziehung von Frauen-
namen auf künstlerische Thätigkeit ausschliesst; aber wie es einzelne berühmte
Maierinnen im Alterthum gab, so lässt sich an und für sich die Möglichkeit
nicht leugnen, dass ausnahmsweise eine Frau sich auch mit der Kunst des
Gemmenschneidens befasst haben könne.

Für die Beziehung eines Namens auf den Künstler spricht es, wenn der-
selbe als Name eines Steinschneiders durch anderweitige Zeugnisse des Alter-
thums bekannt ist. Aber allerdings wird (von modernen Fälschungen ganz
abgesehen) die Bedeutung dieses Gesichtspunktes sehr durch den Umstand ver-
 
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