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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 1.1904/​1905

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Staudhamer, Sebastian: Zum Geleite
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https://doi.org/10.11588/diglit.53156#0016

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2

VW ZUM GELEITE

teile zu zeitigen, als daß sie erfrischen und
belehren, wenn nicht schon eine Erziehung
zur Kunst und eine gewisse Kenntnis der
jeweiligen Kunstströmungen im Volke lebt.
Hier greift die Tätigkeit der Zeitschriften über
Kunst ein. Sie bringen die Kunstwerke in guten
Abbildungen allen jenen ins Haus, die nicht in
die Ateliers wandern, nicht auf die Ausstel-
lungen reisen, nicht die Sammlungen der
großen Städte
frequentieren
können, allen
jenen,die mehr
als bloß flüch-
tig schauen
und oberfläch-
lich abspre-
chen wollen,
die zur Kunst
in ein innige-
res Verhältnis
treten möch-
ten. Vermöge
der Vollkom-
menheit der
heutigen Re-
produktions-
techniken bie-
tet die Abbil-
dung immer-
hin einen
unschätzbaren
Ersatz für den
Anblick des
Originals. Die
Zeitschriften
erzählen uns
aber auch im
Anschluß an
die Bilder von
dem Streben
und Ringen
jener Männer,
die, meist im
Getriebe gros-
ser Städte ver-
loren, im all-
gemeinen Hasten nach Erwerb und ange-
nehmen Stellungen ihr Sehnen zu den Idealen
der edlen Schönheit emporrichten. Durch das
geschriebene Wort verkehren wir geistig im
Atelier des Künstlers, gehen seinen Absichten
nach, fühlen mit ihm und finden zur rechten
Zeit den Weg zu ihm.
Es gibt eine nicht geringe Zahl von Zeit-
schriften, die ausschließlich den bildenden
Künsten gewidmet sind. Außerdem ist es
üblich geworden, auch in den unterhaltenden

periodischen Blättern, in Revuen und in Schrif-
ten für Literatur und Wissenschaft die Leser
nebenbei mit Kunst zu beschäftigen. Aber
sehen wir uns auf dem Zeitschriftentische
näher um, so finden wir nichts, was uns ganz
genügen könnte. Vor allem bemerken wir
eine große und tiefbedauerliche Lücke: nach
einer Vertretung der christlichen Kunst, die der
Höhe unseres sonstigen Zeitschriftenwesens
entspräche, su-
chen wir ver-
geblich. Wohl
dienen die älte-
ren christ-
lichen Kunst-
schöpfungen
ausgiebig als
Studienmate-
rial für Ge-
schichte und
Ästhetik der
Kunst, oder sie
werden als
Vorbilder und
Vorlagen emp-
fohlen ; aber
dort fehlt es
an religiöser
Liebe zur alten
Kunst, hier an
voller Würdi-
gung origi-
nalen Kunst-
schaffens. Vol-
lends trostlos
steht es mit
der Vertretung
der christ-
lichenKünstler
der Gegen-
wart ; wollen
wir von diesen
ein Werk
sehen, wollen
wir etwas von
ihren Leistun-
gen erfahren,
wollen wir auch nur ihre Namen gedruckt
lesen, so blättern wir vergeblich in unseren
Kunstzeitschriften groß und klein, so daß der
Unkundige schließlich zur Vermutung kommt,
es gebe keine christliche Kunst mehr. Letz-
terer Gedanke liegt um so näher, als auch die
großen Ausstellungen unter tausend Werken
kaum ein einziges christlich religiös ge-
meintes Kunstwerk zu bergen pflegen. Oft
genug ist denn auch die christliche Kunst
schon höhnisch tot gesagt und den christ-
O O



ALBRECHT DÜRER SELBSTBILDNIS VOM JAHRE 1484
'Silberstiftzeichnung in dei Albertina zu Wien
 
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