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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 1.1904/​1905

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Halm, Ph. M.: Heilige Gräber des 18. Jahrhunderts
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Gutensohn, Eduard: Kunst und Schule, 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.53156#0218

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190

SW HEILIGE GRÄBER DES 18. JAHRHUNDERTS ^3

bigen Flüssigkeiten könne man schließlich
auch in der Masse gefärbte Glasplatten ver-
wenden.
Es kann kaum einem Zweifel begegnen,
wenn wir also auch den Gebrauch der far-
bigen Glaskugeln auf die italienische Bühne
der Renaissance zurückführen. Freilich kennt
man sie so gut wie gar nicht mehr zur Aus-
stattung von Architekturteilen, aber ihre Auf-
gabe, zur Erhöhung der festlichen Pracht mit-
zuwirken, erfüllen sie, selbst wenn sie nur
in bunten Reihen aus den Pflanzen heraus-
leuchten oder wie z. B. in Hall als Früchte
gemalter Laubpforten wirken, noch ebenso
jetzt wie vor drei- oder fast vierhundert Jahren.
Wann solche Glaskugeln bei uns zuerst Ver-
wendung fanden, dürfte sich jetzt kaum mehr
mit Sicherheit nachweisen lassen, zumal die
Nachrichten über diese eigenartigen Beleuch-
tungskörper ebenso wie über die ältere Bühnen-
beleuchtung überhaupt nur sehr spärlich und
unklar fließenz). Als Vermutung aber läßt es
sich wohl annehmen, daß auch hier die Jesuiten
die Mittler waren.
Diese Betrachtung über hl. Gräber konnte
das Thema nur flüchtig skizzieren. Wenn
noch erhebliche Lücken zu ersehen sind, so
ist sich der Verfasser dessen wohlbewußt;
aber ein Tadel dürfte ihm deshalb kaum
erwachsen. Denn einmal fehlten so gut wie
alle Vorarbeiten über das eigentliche Thema
selbst, und zweitens ermangeln wir noch
einer gründlichen Kenntnis des Bühnenappa-
rates des 16., 17 und 18. Jahrhunderts. Dann
aber ist auch zu berücksichtigen, daß das Studium
des positiven Materials, d. h. der erhaltenen
hl. Gräber dadurch wesentlich erschwert wird,
daß diese immer nur einige wenige Tage sicht-
bar werden, um dann ein Jahr lang wieder in
irgend einer Requisitenkammer von künftiger
kurzer Auferstehung und lichter Pracht und
Herrlichkeit zu träumen. Die Kunst des Barock,
des Rokoko und Zopfs war lange dem Spott
und der Verachtung preisgegeben, der Unter-
gang manchen hl. Grabes mag dadurch be-
siegelt worden sein. Man hatte die Bedeutung
der Zeit, ihr künstlerisches Leben nicht er-
kannt. Heute wissen wir es anders; möge
durch diese Erkenntnis auch unser Besitz an
alten hl. Gräbern gesichert werden! Nicht
nur ihr künstlerischer und kunstgeschicht-
licher sondern auch ihr kulturgeschichtlicher

x) Nicht ganz ohne Belang erscheint es, daß die
Chronik von Weilheim eigens erwähnt, im Jahre 1724
seien zum ersten Male beim hl. Grabe in der Pfarrkirche
»Grabkugeln« zu sehen gewesen. (Böhaimb, Chronik der
Stadt Weilheim 1865, S. 125)

Wert fordert ihre Erhaltung. Denn wir haben
gesehen, daß, wie die hl. Grabdarstellungen und
Grabkapellen des Mittelalters als mit dem geist-
lichen Schauspiele und der Mysterienbühne in
enger Beziehung und in ursächlich wechsel-
seitigem Zusammenhänge stehend anzunehmen
sind, auch in diesen Augenblicksdekorationen
der Karwoche noch der Gedanke an die alten
Osterspiele nachklingt, die in veränderter
Form in den geistlichen Schauspielen, nament-
lich der Jesuiten, wieder auflebten. Dann
aber hat uns unsere Untersuchung auch noch
gelehrt, daß in diesen Kulissenbauten mit
den eigenartigen Beleuchtungseffekten der
farbigen Glaskugeln sich die letzte Tradition
der Schaubühne der italienischen Renaissance
verkörpert.*)
KUNST UND SCHULE
Von E. GUTENSOHN
I. Das Erziehungsziel und die ästhe-
tische Erziehung
Wenn wir bei den Pädagogen nach dem
Zweck und Ziel der Erziehung fragen,
so kann die Antwort je nach dem religiösen
oder philosophischen Standpunkt des Gefragten
verschieden lauten; sind ja besonders im Laufe
der letzten zwei Jahrhunderte verschiedene
pädagogische Systeme aufgetreten, die, von
der Philosophie ihrer Zeit mehr oder weniger
beeinflußt, diese Frage verschieden beant-
worten. Wir gehen aber gewiß nicht fehl,
wenn wir mit den christlichen Pädagogen
das Erziehen definieren als »die absichtliche
und planmäßige Einwirkung des Erziehers
auf den Zögling, damit dieser in allen späteren
Verhältnissen seine diesseitige und jenseitige
Bestimmung erreichen kann.« Es ergibt sich
aus dieser Definition ein näherer formaler
Zweck, der darin besteht, den Zögling zur
sittlichen Selbständigkeit zu führen, und ein
entfernter liegendes Ziel, das in dem da-
durch ermöglichten Erreichen seiner irdischen
und ewigen Bestimmung liegt. Indem wir
nun unsern Weg weiter verfolgen, teilen wir
die gesamte Erziehungstätigkeit ein in eine
negative, besser: prohibitive, die auf die
Unterdrückung der im Zöglinge vorhandenen
bösen Neigungen und auf Abwehr schlimmer
Einflüsse von außen gerichtet ist, und in

J) Für Nachrichten bezw. Abbildungen noch bestehen-
der alter hl. Gräber würde der Verfasser dieser Skizze
sich zu großem Dank verpflichtet fühlen.
 
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