ew DIE KIRCHE ZU ST. PAUL IN MÜNCHEN ^3
die Tiefstände unserer Zeit auch in
unseren Bauten widergespiegelt
sehen. Aber während dem Geist
der Heimatlosigkeit in der profa-
nen Architektur aufs kräftigste
entgegengetreten wird, zeigen
sich im Kirchenbau erst leise,
schüchterne Anklänge künftiger
Fortschritte. Die bleibende Bedin-
gung eines lebendigen Sakralstils
ist jene allgemeine Religiosität,
von der der einzelne getragen
wird. Nur innerhalb derselben
vermag der Künstler zu geläuterter
Höhe zu gelangen, da er dann seine
Äußerungen in der sicheren Vor-
aussetzung wagen kann, verstan-
den zu werden. In einer Zeit da-
gegen, in der dieses geistige Über-
einkommen zwischen Laien und
Künstler nicht besteht, bleibt dem
Baumeister nichts anderes übrig,
als auf persönliche Ausdrucks-
weise zu verzichten und sich der
noch geläufigen Sprache eines
vergangenen Stils zu bedienen.
In solchen Verhältnissen befinden
wir uns leider heute noch immer,
obwohl wir bereits anfangen, uns
kräftig aus ihnen herauszusehnen !
Möge die Zeit bald wieder er-
scheinen, in der eine allgemeine
Religiosität innig fromme und
doch moderne Formen ermöglicht,
die, gleich wie die Kuppel der
Peterskirche zu Rom von Michel-
angelo, einzig »zur Ehre Gottes«
gebaut werden. Die Kirche wird
sicherlich nicht zögern, solche
gleichsam »materialisierte Ge-
bete« Gläubiger mit Freuden in
Empfang zu nehmen 1 Dr. Baer
DIE GESELLSCHAFTLICHE UND SOZIALE STELLUNG DER
KÜNSTLER IN IHRER GESCHICHTLICHEN ENTWICKLUNG
Von MAX FÜRST
(Schluß)
Karl V. war es, der Tizian zum Ritter
vom goldenen Sporn und zum Grafen
des lateranensischen Palastes und des kaiser-
lichen Hofes ernannte, zu einer Würde,
deren zahlreiche Privilegien auch dieses um-
faßte, illegitime Kinder legitim erklären zu
können. Das unterm io. Mai 1533 zu Barce-
lona erlassene kaiserliche Diplom ist überaus
wortreich und mehrseitig höchst charakte-
ristisch. Es wird darin u. a. an Tizian kund-
getan: .... »daß Du mit Recht der Apelles
unseres Jahrhunderts genannt zu werden ver-
dienst; und indem wir das Beispiel unserer
Vorgänger Alexanders des Großen und des
die Tiefstände unserer Zeit auch in
unseren Bauten widergespiegelt
sehen. Aber während dem Geist
der Heimatlosigkeit in der profa-
nen Architektur aufs kräftigste
entgegengetreten wird, zeigen
sich im Kirchenbau erst leise,
schüchterne Anklänge künftiger
Fortschritte. Die bleibende Bedin-
gung eines lebendigen Sakralstils
ist jene allgemeine Religiosität,
von der der einzelne getragen
wird. Nur innerhalb derselben
vermag der Künstler zu geläuterter
Höhe zu gelangen, da er dann seine
Äußerungen in der sicheren Vor-
aussetzung wagen kann, verstan-
den zu werden. In einer Zeit da-
gegen, in der dieses geistige Über-
einkommen zwischen Laien und
Künstler nicht besteht, bleibt dem
Baumeister nichts anderes übrig,
als auf persönliche Ausdrucks-
weise zu verzichten und sich der
noch geläufigen Sprache eines
vergangenen Stils zu bedienen.
In solchen Verhältnissen befinden
wir uns leider heute noch immer,
obwohl wir bereits anfangen, uns
kräftig aus ihnen herauszusehnen !
Möge die Zeit bald wieder er-
scheinen, in der eine allgemeine
Religiosität innig fromme und
doch moderne Formen ermöglicht,
die, gleich wie die Kuppel der
Peterskirche zu Rom von Michel-
angelo, einzig »zur Ehre Gottes«
gebaut werden. Die Kirche wird
sicherlich nicht zögern, solche
gleichsam »materialisierte Ge-
bete« Gläubiger mit Freuden in
Empfang zu nehmen 1 Dr. Baer
DIE GESELLSCHAFTLICHE UND SOZIALE STELLUNG DER
KÜNSTLER IN IHRER GESCHICHTLICHEN ENTWICKLUNG
Von MAX FÜRST
(Schluß)
Karl V. war es, der Tizian zum Ritter
vom goldenen Sporn und zum Grafen
des lateranensischen Palastes und des kaiser-
lichen Hofes ernannte, zu einer Würde,
deren zahlreiche Privilegien auch dieses um-
faßte, illegitime Kinder legitim erklären zu
können. Das unterm io. Mai 1533 zu Barce-
lona erlassene kaiserliche Diplom ist überaus
wortreich und mehrseitig höchst charakte-
ristisch. Es wird darin u. a. an Tizian kund-
getan: .... »daß Du mit Recht der Apelles
unseres Jahrhunderts genannt zu werden ver-
dienst; und indem wir das Beispiel unserer
Vorgänger Alexanders des Großen und des