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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 1.1904/​1905

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Düsseldorfer Kunstbericht: Pfingstausstellung des Kunstvereins für Rheinland und Westfalen
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Reiners, Heribert: Sezessionsausstellung in Krefeld
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https://doi.org/10.11588/diglit.53156#0318

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282

DÜSSELDORFER KUNSTBERICHT ma

Stationsbild) neben zweifellosen Tugenden doch teil-
weise eine Weichlichkeit und fast Verschwommenheit
zeigt, wie sie der strengen Wahrheit und erhebenden
Frömmigkeit widerstrebt. Man sollte doch glauben,
gerade im Rheinland und Westfalen müßte das Be-
dürfnis nach religiösen Kunstwerken auch für das Haus
ein unzerstörbares, ja infolge der Ausstellungen christ-
licher Kunst ein wachsendes sein. Aber woher sollen
die Kunstschüler, woher die aufstrebenden Künstler den
Mut und die Anregung zum Erstreben dieser Kunst-
höhe nehmen, wenn sie sehen, wie der fast ursprüng-
liche »Bund der Kirche mit den Künsten« vielfach zu
einem Bunde mit den Öldruckfabrikanten und Ton-
bäckern und Puppenanstreichern geworden ist1) und
nur in beschränktem Maße Miene macht, sich wieder
zu befreien; wenn sie hören und lesen und sehen, wie
die Ausmalung usw. der Kirchen Anstreicher- und
Dekorationsmalerfirmen übergeben, dem erfahrenen
Künstler aber kaum das Wort dabei gegönnt wird, und
wie diese Dinge auch in das Privathaus hinüberströmen?
In der Nähe einer jüngst geschleiften kleinen Festung
der Diözese Breslau liegt ein Dorf J.; auf einem
Seitenaltar der Kirche dortselbst stand ein altehrwürdiges
Madonnenbild, in der bekannten steifgotischen Haltung
aus Holz geschnitzt. Nun wollte es das Unglück, daß
ein Unteroffizier auf dem Exerzierplätze zu einem Rekruten
sagte: »Kerl, steh’ doch gerade! Du stehst ja da, wie
die Madonna von J.! < und daß dieser Ausspruch
zu Ohren des Pfarrers von J. kam. Dieser
hatte nun nichts Eiligeres zu tun, als zum Zwecke der


KASPAR SCHLEIBNER

PATRONA BAVARIAE

r) Das beschränkt sich nicht etwa auf arme und mittellose Institute
und Personen; es dient auch nicht bloß der Notwendigkeit, sondern
auch störender Überladung, z. B. in der St. Andreas-Hofkirche zu
Düsseldorf.

Beseitigung dieses Ärgernisses aus irgend welcher Fabrik
eine hübsch gerade gebackene Madonna zu verschreiben
und an Stelle des altehrwürdigen Bildes aufzurichten,
letzteres aber in der Nähe der Kirche auf Nimmer-
wiedersehen in die Erde zu vergraben. Ich habe das
Grab gesehen, als einige Hühner des benachbarten
Küsterhauses in der noch frischen Erde scharrten ....
Auf dem Altäre aber steht das süßliche gebackene
Bild, so grell rot und blau angestrichen und vergoldet,
daß das ganze Innere der Kirche vor Scham doppelt
dunkel und traurig aussieht. Und über dem Portale
der Kirche stehen noch drei weitere gotische Stand-
bilder von Heiligen, die noch aus der Zeit des Bundes
der Kirche mit den Künsten stammen und nun
ihres Schicksales warten. Und da klagt man, daß die
Künstler alle so weltlich seien und es fast keine christ-
liche Kunst mehr gebe, — die anachronistischen Ver-
zerrungen christlicher Kunst, auch wenn sie Verirrungen
einer Meisterhand sind, kommen natürlich als christ-
licheKunst nicht in Betracht. Hoffentlich lebt diese
aber wieder auf und zeigt noch einmal ihre wahrhaft
ideale und überwältigende Kraft. Freilich müssen zu-
erst die Leb ens be dingungen für sie, auch die
materiellen, geschaffen werden;2) auch hier heißt es:
Sint Maecenates, non derunt, Flacce, Marones!
Sorgt für Aufträge, dann wird’s an Künstlern nicht fehlen.
Sind die äußeren und inneren Lebensbedingungen
da, dann braucht man nicht erst zu warten, bis etwa
heilige oder hervorragend fromme Kunstschüler oder
Künstler erscheinen. Auch jene alten Künstler, Schöpfer
unfaßbar frommer Werke, sind keineswegs sämtlich be-
sonders fromme Leute gewesen. Wo nur in einer
Künstlerbrust ein wahrhaft menschliches Herz ohne
Haß schlägt, da sind auch Keime, die sich zu wunder-
baren, tiefempfundenen und unwiderstehlichen Blüten
religiöser Kunst entfalten können; hat der Künstler dann
nicht bloß als Künstler, sondern auch als Mensch mit
unsterblicher Seele einen Gewinn davon, um so besser.
Aber von Zuckerwasser krön kein Kunstwerk, be-
sonders kein christliches Kunstwerk groß werden: es
müssen großeund reicheldeen,es muß glühende
Liebe zum Werke, es muß Arbeit und Studium
da sein. Die Kräfte dafür sind vorhanden, aber sie
müssen zur Bewegung auf richtiger Bahn angeregt
werden, damit sie nicht, eine nach der andern, ver-
zettelt werden in Dingen, die keine Ideen in sich
tragen, die zur Liebe nicht erwärmen, die weder
Studium noch Arbeit voraussetzen. Bone

SEZESSIONSAUSSTELLUNG
IN KREFELD
pin erfreuliches Bild von dem Können der Modernen
bot uns der Direktor des Kaiser Wilhelm-Museums,
Dr. Deneken durch die Ausstellung der Münchener
Sezession. Nur gute Sachen waren dort vertreten, die
uns hinreichend bewiesen, welche Summe künstlerischer
Kraft in dem Verein bildender Künstler Münchens steckt.
Als gute Porträtisten zeigten sich zunächst Ferdi-
nand Götz mit einem lebensvollen Bilde des Leut-
nant S., Julius Exter mit dem koloristisch sehr vor-
nehmen Temperabilde »Mutter und Kind«. Vornehm
waren auch die Damenbildnisse von Hermann Gröber

2) Die sich mehrenden Preisausschreibungen können allein nicht ge-
nügen ; die Resultate ermutigen nur wenige, oft niemanden ; für mög-
lichst individuelle, s c h a r fb egre n z te Zwecke muß nach Möglich-
keit offener und persönlicher Verkehr mit dem Künstler gesucht
werden; denn namentlich für christliche Kunst ist seiteus des
Künßtlers weit mehr nötig, als daß er einen gefälligen Entwurf machen
und die Farben angemessen aufstreichen kann.
 
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