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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 1.1904/​1905

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Halm, Philipp Maria: Die Türen der Stiftskirche in Altötting und ihr Meister
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https://doi.org/10.11588/diglit.53156#0145

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CHRISTUS MIT DEN ZWÖLF APOSTELN
In Privatbesitz zu Wurmannsquick


DIE TÜREN DER STIFTSKIRCHE IN ALTÖTTING UND IHR MEISTER

Von Dr. PHILIPP M. HALM

Das Portal des christlichen Gotteshauses,
»die Grenzscheide zwischen der Welt und
der Kirche, zwischen dem Tummelplatz der
Sünde und dem Hause Gottes«, bot jederzeit
und in allen seinen Teilen, in dem Gewände,
in den Bogenfeldern und in den Türflügeln, der
Kunst einen fruchtbaren, wohl zu bestellen-
den Boden. Durch seinen Schmuck vor allem
drang die göttliche Lehre über die Kirchen-
mauern ins gemeine Alltagsleben, und die
stummberedte Zier predigte ohne Unterlaß
Heil und "Frost von der christlichen Nach-
folge. Bald erzählte das Bildwerk von des
Herren Leiden und der Mutter Freuden, von
dem jüngsten Gericht und den letzten Dingen,
bald sprach es von klaren, allen wohlbekannten
Geschehnissen, bald wieder verlor sich der
Sinn der Bildwerke in tiefe Symbolik und
in schwerverständliche Rätsel. Die Zeiten
änderten sich und mit ihnen die Kunst, trotz-
dem aber vergaß sie nie, das Portal des Gottes-
hauses besonders würdig auszugestalten. Die
Architektur der Portale mit ihrem Bilder-
schmuck hat sich denn auch in Tausenden von
Beispielen erhalten, aber zu den größten Selten-
heiten zumal diesseits der Alpen zählen künst-
lerisch behandelte Türflügel, die über die Zeit
des Barock zurückreichen. Nicht weniger als
drei solcher Flügelpaare haben sich an der
Stiftskirche des berühmtesten bayerischen Wall-
fahrtsortes, Altötting, erhalten und sic be-
anspruchen in der Geschichte der christlichen

Kunst Deutschlands eine ganz hervorragende
Stellung.1)
Die drei Portale der spätgotischen Stifts-
kirche in Altötting erhielten diese Flügeltüren
im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts.
Sie sollten den würdigen Abschluß der Bau-
tätigkeit an diesem Gotteshause bilden und
das ersetzen, was des Mangels an geeignetem
Materiale und vielleicht auch fehlender Kräfte
halber nicht wie anderorts im Portalbau selbst
zum Ausdruck kommen konnte. Am ein-
fachsten gehalten sind die Flügel des West-
portals, wohl mit Rücksicht auf die geringe
Benützung dieser nur nach der stillen Vor-
halle sich öffnenden Türe.2) Jeder der recht-
eckigen Flügel ist in zwei Felder geteilt, die
durch sechs Reihen von aufeinanderstehenden
spitzen Maßwerkbögen belebt werden. Zu

') Die Türflügel der Stiftskirche zu Altötting wurden
zuerst in die kunstgeschichtliche Literatur durch J. Sig-
hart (Geschichte der bildenden Künste in Bayern 1863,
S. 505) eingeführt. Auf diesem fußend, erwähnen die
Türen flüchtig G. Jakob (Die Kunst im Dienste der
Kirche 1885, S. 273) und K. Atz (Die christliche Kunst
in Wort und Bild 1899, $• 51?)- Eingehender wurde
zum erstenmale der Bildschmuck der Türen behandelt
in den »Kunstdenkmalen des Königreiches Bayern« 1,
2345 ff. und 2645. Die symbolische Bedeutung der
Bildwerke in ihrer Stellung zu ähnlichen Kunstschöp-
lüngen behandelt meine Untersuchung »Zur marianischen
Symbolik des späteren Mittelalters. — Defensoria invio-
latae virginitatis b. Mariae« in der »Zeitschrift für christ-
liche Kunst« 1904, S. 119 ff.
2) Abb.inden »Kunstdenkmalen Bayerns1,233911.2347«.

Die christliche Kunst. I. 6. März 1905.
 
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