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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 1.1904/​1905

DOI Artikel:
Wolters, Franz: Die Jahresausstellung im Glaspalaste und der Deutsche Künstlerbund (Sezession), [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.53156#0026

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VW DIE JAHRESAUSSTELLUNG IM GLASPALASTE ^3


HEINRICH WADERE

LEISTE VON EINEM DENKMAL

DIE JAHRESAUSSTELLUNG IM GLASPALASTE UND DER DEUTSCHE
KUNSTLERBUND (SEZESSION)
I.

Die ewig gültigen Dürerworte: »Denn wahr-
haftig steckt die Kunst in der Natur, wer
sic herausreißen kann, der hat sie«, sind immer
seltener auf unsere ganze heutige Kunst an-
zuwenden. Eine große Anzahl von Künst-


A. FÜRS ALBRECHT FÜRST OETTINGEN-SPIELBERG
Münchener ] ahres aus Stellung im Glaspalast 1904

lern malt, meißelt und zeichnet nach fest-
gegründeten mehr oder weniger berühmten
Mustern und kommt auf diese Weise unter
der Maske anderer daher, indem sie sich der
eigenartigen Probleme und Manieren dieser
bedient; andere wieder glauben, wenn sic nur
ruhig Natur nachmalen oder modellieren, ohne
zu denken, so sei dies auch schon Kunst.
Was aber zur wahren echten Kunst gehört,
nämlich die Absichten erkennen lassen, welche
mit persönlicher Schaffenskraft und solidem
Können sich im Werke aussprechen soll, dies
fehlt zumeist. Auch müßte es bei jedem
Kunstwerke dem kunstsinnigen Beschauer er-
gehen, daß er wie bei dem Anblicke der so-
genannten »irdischen und himmlischen Liebe«
von Tizian, das Stoffliche, den Inhalt völlig
vergißt und das Werk selbst als sein Inhalt
erscheint. Von solchen rein künstlerischen
Gesichtspunkten ausgehend, würde man in
den 75 teils großen, teils kleinen Sälen des
Glaspalastes wenig finden und wenn man
ehrlich ist, zu der Überzeugung gelangen, daß
unser ganzes Kunstleben erkrankt ist, weil
dem Geschmacke des Publikums von Seiten
der Künstler die größten Konzessionen ge-
macht werden. Man sieht es so vielen Wer-
ken an, daß gerade die Maler ihr Publikum
studieren und nach dessen Verlangen — dies
kann nicht allein im Stofflichen, sondern auch
im unbegründet rein Dimensionalen bestehen-
den Köder präparieren, auf welchen dasselbe
mit tödlicher Sicherheit anbeißt. Hiermit
werden wichtige Prinzipien verschoben, die
nicht verschoben werden dürfen, denn die
Künstler haben das Publikum zum künstleri-
schen, dem edelsten Genüsse heranzuziehen.
Wenn die Kunst sich darnach richten würde,
was dem Volke gefällt, hätte sie längst auf-
gehört, Kunst zu sein und von einer Weiter-
entwicklung dürfte man überhaupt nicht reden.
Natürlich sind hier Führer auf dem Kunst-
gebiet im wahren Sinne des Wortes gemeint.
 
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