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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 1.1904/​1905

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Patzak, Bernhard: Giambattista Tiepolos Eigenart: kunstgeschichtlicher Essay
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Noch zwei Epitaphien von Loy Hering
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https://doi.org/10.11588/diglit.53156#0141

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S» NOCH ZWEI EPITAPHIEN VON LOY HERING ^3

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der Rede des schlank aufgeschossenen, aber
sehnigen Anachoreten, der seine Worte mit
den lebhaften Handgesten eines Südländers
begleitet. Die Illusion einer großen, sich
weit in den Hintergrund hin verlierenden
Volksmasse ist mit wenigen, aber sehr charak-
teristischen Linien erreicht. Besonders markant
sind die mehr im Detail ausgeführten Gestalten
des Vordergrundes, Gestalten, die für Tie-
polos Eigenart geradezu typisch sind. Eines-
teils ist es der unglaublich leichte Linienfluß,
der Tiepolos zeichnerisches Genie im hellsten
Lichte zeigt, und ferner ist die vornehme
Geschlossenheit zu bewundern, womit diese
Figuren in perspektivischer Genauigkeit in
den Raum hineinkomponiert sind. Auch das
Mittel der Kontrastwirkung hat der Künstler
meisterhaft angewandt.
So setzt Tiepolo in der mittleren Gruppe des
Vordergrundes einen greisen, nackten Bettler
neben einen beturbanten Reichen. Und als
Gegenstück zu der auf ungeduldig schar-
rendem Schimmel sitzenden

NOCH ZWEI EPITAPHIEN VON
LOY HERING
Im dritten Heft des laufenden Jahrgangs sind
sechs Epitaphien des Bildhauers Hering ab-
gebildet und beschrieben, welche in der Pfarr-
kirche zu Unterknöringen sich befinden.
Andere, dem Verfasser jenes Artikels bekannte
Beispiele sind noch in Eichstätt erhalten, so-
wie im Georgianum zu München. Auf letzteres
wollen wir an dieser Stelle hin weisen, zumal
es manchem Leser der Zeitschrift eine Er-
innerung an seine theologischen Studienwach-
rufen dürfte.
Es stellt den Regens Schwebermair Georg
dar, welcher nach Stiftung und Errichtung
des Georgianums diese Anstalt in Ingolstadt
als erster Vorstand 1496—1507 leitete. Er
starb 1520 und wurde in der Frauenkirche
daselbst beigesetzt. Der Denkstein wurde aus
der Kirche aus irgend einem Grunde entfernt
und gelangte in den Besitz eines Ökonomen,

Abruzzengestalt läßt er rechts
einen Mann herankommen,
der ganz vorsichtig auf schwe-
benden Sohlen schreitet, um
nicht Störung zu verursachen.
Links und rechts also gemil-
derte Bewegung, die trefflich zu
der in lautloser Stille und Ruhe
lauschenden Volksmenge über-
leitet und zu der Hauptperson,
dem schulterbreiten Prediger,
hinlenkt, der das ganze Volk
um Haupteslänge überragt . . .
Es konnte natürlich nicht in
dem Zweck dieser Zeilen liegen,
die Eigenart des Tiepolowerkes
erschöpfend darstellen zu wol-
len. Sie mögen vielmehr dazu
beitragen, die Aufmerksamkeit
und Teilnahme unserer werten
Leser für diesen bedeutsamen
und unverdientermaßen lange
in Vergessenheit geratenen
Künstler zu wecken und zu be-
leben. Mögen sie auch dazu
dienen, das Verständnis für meh-
rere zwanglose Studien über Tie-
polo vorzubereiten, die der Ver-
fasser dieses Essays in dieser
Zeitschrift zuerst zu veröffent-
lichen und später zu einer umfas-
senden und eingehenden Studie
über den letzten großen Maler
der italienischen Renaissance zu
erweitern gedenkt.


LOY HERING

GRABDENKMAL
 
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