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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 1.1904/​1905

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Schmidkunz, Hans: Berliner Sezession, [1]
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Fürst, Max: Die gesellschaftliche und soziale Stellung der Künstler in ihrer geschichtlichen Entwicklung, 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.53156#0062

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46

SW DIE GESELLSCHAFTLICHE UND SOZIALE STELLUNG DER

daraus, sowie aus an-
derweitigen Erfahrun-
gen schließen, daß
auch unsere Lehrstät-
ten der bildenden
Künste es völlig ver-
säumen, ihre Schüler
nicht nur zu religiösen
Gegenständen, son-
dern auch zu der diesen
entsprechenden Ge-
fühls- und Arbeits-
weise zu erziehen.
Das mindeste, das da-
bei verlangt werden
kann, ist der seelische
Ausdruck; aber schon
an diesem fehlt es in
hohem Maß. Das
charakteristische Bei-
spiel ist diesmal von
einem der Haupt-
führer der Berliner
Sezession, von Co-
rinth, seine »Grab-
legung«. Keineswegs
soll es etwa ein Natu-
ralismus sein, um
dessen willen uns das
Bild als ein negatives
Muster erscheint. Viele
wahrhaftig religiöse


Kunst der Vergangen-
heit, beispielweise bei
Spaniern in der späte-
ren Renaissance, hat
darin Stärkstes gelei-
stet. Allein daß bei
Corinth neben dem
Interesse für die for-
malen Mittel der Aus-
druck wesentlich zu-
rücktritt, und daß die
Gesichter der Beteilig-
ten, namentlich das
Mariens wahrhaft ge-
fühllos sind, zeigt uns,
wie wenig hier etwas
anderes zu erwarten
ist als eine Virtuo-
sität, die sich das
andere Mal in gleicher
Weise mit dem Por-
trät einer modernen
Künstlerin (Tiny Sen-
ders) beschäftigt, das
aber nun wiederum
mehr durch seine
Formen geschicklich-
keit als durch einen
seelischen Ausdruck
interessiert.

CHR. ROTH MSG. VASSALLO DI TORREGROSSA
Münchener Jahresaiisstellnng im Glaspalast 1904

(Schluß folgt.)

DIE GESELLSCHAFTLICHE UND SOZIALE STELLUNG DER
KÜNSTLER IN IHRER GESCHICHTLICHEN ENTWICKLUNG
Von MAX FÜRST

Die gewaltigen Gärungen und Verände-
rungen, die besonders seit der franzö-
sischen Revolution das menschliche Gesell-
schafsgefüge durchgemacht, die mannigfachen
sozialen Verschiebungen, welche vor allem
die Gegenwart gebracht hat, lassen das Augen-
merk mehr als je auch auf die Geschichte
der früheren Zustände in den verschiedenen
Gesellschaftsgruppen gerichtet sein. Aus den
Ruinen einer einst festgefügten, nun größ-
tenteils zusammengebrochenen mittelalter-
lichen Gesellschaftsordnung sehen wir, freilich
meist unter heftigen geistigen Gewitter-
stürmen, neues Leben hervorwachsen, so
daß uns das Einstige, das Gewesene eben
unter historischen Gesichtspunkten besonders
beachtenswert erscheint, und dieses um so

mehr, je eiliger und klangloser die soge-
nannte, aber nicht immer richtig benannte
»gute, alte Zeit« am weiten Horizonte der
geschichtlichen Wandlungen zu entschwinden
sich anschickt.
Zu den Gesellschaftsgruppen, die im Ge-
samtrahmen des Kulturschaffens zu allen
Zeiten eine besonders wichtige Stelle ein-
genommen haben, gehören bekanntlich die
O 10
Künstler. Ob ihrer Tätigkeit schon im grauen
Altertum gesucht und angestaunt, der sozialen
Ordnung nach jedoch meist in untergeordnetem
Range, oft sogar dem Sklavenstande ange-
hörig, im Mittelalter fest dem Handwerks-
und Zunftgefüge eingeschlossen, in der Re-
naissanceperiode aber allmählich zu höherem
Standesbewußtsein aufsteigend und den alten
 
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