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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 1.1904/​1905

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Gutensohn, Eduard: Kunst und Schule, 2
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Wolter, Franz: Giovanni Segantini-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.53156#0243

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KUNST UND SCHULE mri

gibt, die für Kinder ebensogut geeignet sind
wie für Erwachsene.
Haben wir im Bisherigen der Kunsterziehung
das Wort geredet, so wollen wir uns auch
nicht verhehlen, daß der Einfluß der Kunst
immerhin nicht überschätzt werden darf.
Manche Enthusiasten meinen, die Kunst werde
ein alle umschlingendes soziales Ausgleichs-
mittel werden, sie werde dem Volke, sobald
es befähigt sei, die großen Werke unserer
Künstler zu genießen, Glück und innere Be-
friedigung in den Mühen des Lebens spenden;
sie werde ein in moralischer Hinsicht besseres
Geschlecht heranbilden. Zu solchen Hoff-
nungen können wir uns nicht erschwingen.
Und wenn einige die Kunst als eine neue
Religion dem Volke bieten wollen, dann
erinnern wir an die Worte K. Langes: »Es
liegt uns fern, die ethische oder religiöse
Erziehung, deren Bedeutung für die heran-
wachsende Jugend wir vollauf anerkennen,
durch ein neues pädagogisches Ideal ersetzen
zu wollen.« Gegenüber der von Hamburg
aus vertretenen Ansicht, die Kunst müsse in
der Schule Herrin, nicht dienende Magd,
sein, d. h. der Kunstgenuß müsse Selbstzweck
bleiben, nicht sich einem andern Zwecke
unterordnen, sagen wir: Auch die Kunst
hat sich in den Dienst des Erziehungszieles
zu stellen, die Kunst kann nie die sittlich-
religiöse Erziehung ersetzen, die ästhetische
Bildung macht die auf sittlich-religiöser Grund-
lage stehende Charakterbildung nicht ent-
behrlich. Darum stimmen wir auch der von
Wolgast-Hamburg aufgestellten These: »Die
künstlerische Erziehung ist der intellektuellen
und moralischen gleichberechtigt«, nicht zu.
Wir verkennen dagegen durchaus nicht den
veredelnden Einfluß der Kunst; sie führt die
Seele in eine höhere Sphäre und macht sie
durch das Schöne auch empfänglich für das
Gute, denn sie ist selbst ein Gottesfunke,
weshalb man sie mit Recht eine Schwester
der Religion nennt. Und darum sagen wir:
Hinein mit der wahren Kunst in die Schule!
(Schluß folgt.)
GIOVANNI SEGANTINI-AUSSTELLUNG
Von dem seltsamsten Maler italienischer Abstammung,
in dessen Adern sicherlich auch germanisches Blut
rollte, von Giovanni Segantini, der am 29. Septem-
ber 1899 in einer einsamen Hütte, hoch oben in
den Bergen seines geliebten Engadins, nach kurzer
Krankheit starb, bringt die rührige Firma Heinemann
die drei letzten großgedachten Werke seiner Hand, neben
mehreren anderen Arbeiten, in ihrer Galerie zur Aus-
stellung. Selten hat ein Maler die rauhe Pracht der
Alpennatur, das herbe Wesen ihrer Bewohner, die ganze
Fülle von jungfräulicher Erhabenheit bis zur schaurigen


HEINRICH NÜTTGENS

STUDIE ZU DEN HL. FRAUEN
UNTER DEM KREUZE
(Vgl. S. 214)

Großartigkeit mit einer tiefinnigeren Liebe verkörpert
wie Segantini. Er war durchaus eine sinnende Poeten-
natur und überall sah er die wundervollsten, harmo-
nischen Klänge. Bezeichnend für sein ganzes künst-
lerisches Wesen sind seine Worte, die er mir einmal
schrieb, als es sich um die Verwirklichung seines groß-
artig gedachten Alpenpanoramas handelte, das er für
Paris zur Weltausstellung ausführen wollte. »Schon
längst dachte ich an eine innige Übereinstimmung von
Klängen und Farben in der alpinen Kunst, an ein großes
vollständiges Werk, welches all die Harmonie wieder-
geben könnte, die das Hochgebirge für denjenigen, der
es mit Liebe und künstlerischem Sinne beobachtet und
studiert, in sich schließt. Ich studierte in der alpinen
Natur Klänge von Farben, Formen und Linien, und
fühlte, daß die Seele, die sie regiert und diejenige, die
sie beobachtet und anhört, eine einzige sei. Nur der-
jenige, der sich wTie ich monatelang über den hohen,
grünen Alpenweiden in lächelnden Frühlingstagen auf-
gehalten hat, kann die hohe künstlerische Bedeutung
dieses Einklanges verstehen. Die Stimmen, die von den
Tälern emporsteigen, die unbestimmten gedämpften
Klänge, die vom Winde getragen, um uns ein harmo-
 
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