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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 1.1904/​1905

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Fürst, Max: Die gesellschaftliche und soziale Stellung der Künstler in ihrer geschichtlichen Entwicklung, 4
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Patzak, Bernhard: Giambattista Tiepolos Eigenart: kunstgeschichtlicher Essay
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https://doi.org/10.11588/diglit.53156#0136

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1T4

SW GIAMBATTISTA TIEPOLOS EIGENART

nungen verantwortlich zu machen. Gewiß
sollte es zunächst für die Kunstübenden ein
erhöhtes Pflichtgefühl geben, nur dem Hohen
und Schönen zu dienen ; aber die Atmosphäre,
die sie atmen und in der sie sich bewegen,
kann niemals ohne Rückwirkung auf ihr Tun
oder Lassen bleiben. Einzelne heroische Na-

GIAMBATTISTA TIEPOLOS
EIGENART
Kunstgeschichtlicher Essay
von Dr. BERNHARD PATZAK (Florenz)

turen versuchen und vermögen es ja hin und
wieder, gegen den Strom zu schwimmen;
aber die Strömung halten sie gewiß nicht

Venedig! — Dieses Zauberwort, es ist im-
stande, mannigfache Saiten in unserer
Seele zum Schwingen und Tönen zu bringen,
ein Heer von Empfindungen in
uns auszulösen. Darunter wird


LUDW. BOLGIANO

BEI STARNBERG

sicher das Entzücken für das ge-
heimnisvolle Wunderweben des
Lichtes, für seine unzähligen und
sublimen Farbenabstufungen
keine geringe Rolle spielen.
Wer, mit einem farbig sehen-
den Auge begabt, oder in Ge-
sellschaft eines tüchtigen, mit
der Natur innigste Zwiesprache
haltenden Künstlers scharfe Be-
obachtungen über das zauber-
volle Spiel des Lichtes anstellt;
wie es, nach dem Augenblick
wechselnd, die märchenhafte La-
gunenstadt und besonders die
weiter draußen im Meere ge-
legenen Inseln umflutet, der wird
es verstehen lernen, warum ge-
rade die venezianische Malerei
dazu berufen war, eines der
schwierigsten Malprobleme, das
des Lichtes, verständnisvoll anzu-
packen und in einziger Weise
erfolgreich zu lösen.
Schon in der zwischen den
verschiedensten, auch deutschen
Einflüssen tastenden Malerschule
von Murano keimen die ersten,
wenn auch noch schüchternen
Versuche hierzu.
Diese Eroberung des Lichtes,
die in Giorgione, Tizian und
Paolo Veronese ihre bedeutend-

auf und das Gesamtbild der kulturellen Zu-
stände und Erscheinungen verändern sie eben-
falls nicht. Was ein tüchtiger Kulturhistoriker
und Menschenkenner einmal in Bezug auf das
Tun und Treiben der Menschen ausgesprochen
hat, das gilt zunächst von den Künstlern.
Gerade sie sind in besonderem Grade ■—- wer
wollte darob mit ihnen rechten? — in jeder
Kulturepoche:
»Im Guten und Schlechten
All Kinder des Mütterchens Zeit!«

sten selbstherrlichen Vertreter
findet, gipfelt schließlich in den
Lichtoffenbarungen des Giambattista Tiepolo.
Nur von diesem Gesichtspunkte aus wird man
der Eigenart dieses letzten großen Meisters der
venezianischen Renaissance gerecht werden.
Mit seinen Vorgängern ist er in Bezug auf
ihre hohe künstlerische Auffassung von dem
schönen, in sich gesättigten Menschendasein
zwar nicht zu vergleichen. Er sucht zum Teil
bei ihnen die Anregungen für seine meist im
höchsten Sinne dekorativen Werke und faßt
ihre Errungenschaften mit beherrschender
 
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