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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 1.1904/​1905

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Andachtsbildchen und Christliche Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.53156#0167

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ANDACHTSBILDCHEN UND CHRISTLICHE KUNST ^3

T43


ANDACHTSBILDCHEN
UND
CHRISTLICHE KUNST
Von einem Primizianten

Führich sagte einmal: »Es
gibt einen Grad sogenannter
religiöser Bilder, geschnitzter
und gemalter, welchem keine
andere Kunst, auch auf ihrer
niedersten Stufe ähnliches an
die Seite zu stellen hat.«J)
Wir wissen wohl, daß sich,
seit Führich diese Worte ge-
schrieben, gerade auch in der
Herstellung religiöser Bilder
manches zum Besseren gewen-
det hat. Die ärgsten Abge-
schmacktheiten, wie sie aus
Frankreich importiert wurden,
sind ja so ziemlich verschwun-
den. Aber daß unsere heutigen
Andachtsbildchen in ihrer er-
drückenden Mehrheit auch nur
sehr bescheidenen künstleri-
schen Anforderungen gerecht
würden, könnte wohl der
stärkste Optimist nicht behaup-
ten. Man durchblättere einmal
die Bilderkataloge, wie sie den
Primizianten gewöhnlich zu-
gesandt werden. Es sind ja einige Bogen brauchbaren, ge-
diegenen Materials dabei. Aber wie verschwinden diese
hinter dem Wust von ausdruckslosen, langweiligen oder
sentimentalen Darstellungen! Ich will gar nicht reden von
den männlichen Heiligen, denen der Redakteur der
»Deutschen Gaue«, Kurat Frank, treffend das Charakte-
ristikum gibt: »Jungfrauen, denen man nur flächserne
Bärte angepappt hat.« Und was soll man erst sagen
zu der weitverbreiteten Geschmacksverirrung, gemalten
Bildern naturreine Seidenkleidchen aufzukleben?
Zu ihrer Entschuldigung bringen die Produzenten
vor: »Es wird nichts Besseres verlangt.« Und so viele,
die in stetem Kontakt mit dem Volke stehen, beruhigen
sich mit der Behauptung: »Das Volk hat für Kunst
kein Verständnis.« Der erste Einwurf ist sicher nicht
ohne weiteres ad acta zu legen. Ich stimme P. Beissel
vollkommen bei, wenn er sagt: »Ein großer Fabrikant
mag noch so sehr für christliche Kunst begeistert, zu
Opfern bereit sein, er bleibt aber Geschäftsmann, muß
seinen Konkurrenten gegenüber und um seine Fabrik
oder Kunstanstalt in Gang zu halten, für den Absatz
sorgen, also dem Geschmack der Abnehmer sicli wenig-
stens in einer Anzahl der Erzeugnisse anbequemen.«* 2)
Darüber läßt sich wohl nicht streiten. Eine andere
Frage ist nur die: Wer sind, abgesehen von Wallfahrts-
orten, die Hauptabnehmer der Bilderverlage? Doch wohl
in erster Linie die Geistlichen, die Katecheten und die
Vorstände, bezw. Lehrer der Erziehungsinstitute. Eine
Menge Bilder kommt auch gelegentlich der Primizen
unter das Volk. Nehmen wir beispielsweise bloß an,
daß in einem Jahre die acht Diözesen Bayerns 200 Priester

») »Von der Kunst«, 4. Heft, S. 23.
2) »Religiöse Bilder für das kath, Volk«, Stimmen a. M. Laach
Marz 1900.

weihen und jeder Primiziant
nur 2500 Bilder bestellt, so er-
gibt die Rechnung für die Pri-
mizen allein schon T/2 Million
Bilder. Kenner der Verhältnisse
werden diese Schätzung eher
zu niedrig als zu hoch nennen.
Ferner weist die Statistik für
das Jahr 1900/01 in Bayern 5216
Volksschulen auf. Ich berechne
im Durchschnitt für die Schule
zwei Katecheten, also für ganz
Bayern rund 10 500 Katecheten.
Teilt nun jeder Katechet im
Jahre 200 Bilder aus, so bedeutet
dies für Bayern 2 100000 Bilder.
Ich habe hier noch nicht ge-
rechnet, was die Lehrer und
Lehrerinnen in der Schule, in
den Erziehungsinstituten und
Pensionaten, die Geistlichen
außer der Schule, gelegentlich
der ersten hl. Beichte oder Kom-
munion , der Versetzung von
einem Posten zum andern als An-
denken verteilen, und greife sicher
nicht zu hoch, wenn ich P/s Millionen Bilder für diesen
Zweck annehme. Als Endresultat ergibt sich also für
Bayern allein schon eine Summe von rund 4 Millionen
Bildern, welche nur geschenkweise an das Volk gelangen,
und zwar aus den Händen jener, welchen die Bildung
und Erziehung von Jugend und Volk Lebensaufgabe
ist. In der Tat, ein wirksames Mittel, Kunstverständnis
im Volke zu fördern und für die eigenen Ideale Pro-
paganda zu machen! Wird aber diese günstige Position
ausgenützt? Leider noch zu wenig. Beweis dafür liefern
uns eben die Bilderkataloge mit ihren Proben. Denn
es richtet sich auch hier das Angebot nach der Nach-
frage. »Ja,« wird man mir vielleicht noch einwenden,
»ich muß meine Bilder en gros kaufen und en gros
verschenken, da kann ich keine teure Ware brauchen.«
Der Einwand wäre berechtigt, wenn er nicht auf falscher
Voraussetzung fußte. Ich schlage vergleichshalber einen
Katalog auf und finde: Bilder mit aufgeklebten Seiden-
kleidern das Hundert M. 16.—, andere ohne diese preis-
erhöhende, aber keineswegs veredelnde Zutat in allen
Preislagen von 60 Pfennigen bis 8 Mark. Und wie
stehen die künstlerisch ausgeführten Exemplare im Preise?
Im Durchschnitt sogar bedeutend niedriger als die andern
(mir ist nur ein Höchstbetrag von M. 4.—• pro Hundert
bekannt); ja selbst in Preislagen von 80 Pfennigen bis
1 Mark noch tadellos. So stehen die Preise jetzt, ob-
wohl die Nachfrage verhältnismäßig gering ist. Daß
ein größerer Absatz nur günstig auf die Preislage ein-
wirken könnte, bedarf wohl keiner Erörterung. Die Preis-
lage vorteilhaft zu beeinflussen wäre aber niemandem
leichter möglich als dem Geistlichen, speziell dem
Primizianten, wenn er in seinen Bestellungen nur ge-
diegene, künstlerische Bilder bevorzugte. Und ließe
sich nicht auch die beratende Stimme, die dem Seelen-
führer bereitwilligst in den mit Klöstern verbundenen

DETAIL ZU ABB. S. 131


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