DENKMALPFLEGE
Theodore während des Kugelregens felbft mit
Aufopferung in Sicherheit gebracht. Audi die
berühmte Wachsbüfte von Lille hat Geheimrat
Clemen in einem befondcren Kellergelaß ficher
vor Befchädigung und Temperatureinflüffen vor-
gefunden.
Nördlich der Aisnefront find Laon und auch
Noyon, entgegen anderslautenden Nachrichten,
gänzlich unberührt. Auch fonft ift zwifchen
der Nordoftgrenze Frankreichs und der Äisne
deutlich zu verfolgen, wie die Heeresleitung
überall forgfam um die Erhaltung der hiftorifchen
Denkmäler bemüht gewefen ift. Bei der Be-
fchießung von Rethel ift die hochgelegene Kirche
St. Nicolas mit ihrem reizvollen fpätgotifchen
Südportal unverfehrt geblieben. An der Schlacht-
front nördlich und öftlich von Verdun und um
den Argonnerwald fowie vor der Woevre ift
natürlich eine Reihe von Ortfchaften beim Hin-
und Herwogen des Kampfes zerftört worden, da-
für konnten aber auf dem Wege unferer Truppen
nach Südweften gerade die wichtigften Monu-
mente forglich gefchont werden: Ganz unver-
fehrt blieben die drei berühmten Wallfahrts-
kirchen: das fpätgotifche A vioth nördlich Mont-
medy, die frühgotifche von Mont füdlich Ste-
nay mit ihrem überaus reichen Figurenportal
und Notre Dame de Liesse öftlich von Laon
mit all ihren Schaßen, den Stiftungen franzö-
fifcher Könige.
Die Hauptforge der deutfchen Heeresleitung
gilt jeßt Reims und Soissoni die beide von
den Deutfchen eng eingefchloffen find und von
den Franzofen zu hartnäckig verteidigten Stüß-
punkten gemacht wurden, ln Reims haben die
Franzofen die Kathedrale wie die Abteikirche
St. Remi als Kugelfang benußt, indem fie auf
den davorgelegenen Pläßen Artillerie auffuhren,
und fie haben außerdem den Nordturm der Ka-
thedrale als Signalftation benußt, fo daß fich die
deutfche Heeresleitung fchließlich doch zu einer
Befchießung verftehen mußte. Mit dem Zeiß-
fchen Scherenfernrohr ließen fich die Befchädi-
gungen, namentlich beim Vergleich mit älteren
Aufnahmen, genau feftftellen. Der Bau der Ka-
thedrale hat überhaupt nur zwei Volltreffer be-
kommen. Die ganze Subftanz des Bauwerkes fteht
noch. Zwar ift das Dach verbrannt, aber die Turm-
front mit den beiden mächtigen ftumpfen Weft-
türmen, die Querfchiffgiebel, die feine durch-
brochene Galerie, die das Hochfchiff abfchließt,
find erhalten, und in dem Strebefyftem der Nord-
feite, die vor allem unferer Artillerie zugänglich
ift, war keine Lücke zu entdecken. An der Spiße
des Nordturms ift die eine innere Ecke durch
eine Granate weggeholt, es fcheint hier aber nur
die Bekrönung der einen Fiale abgefchlagen zu fein.
Auch die übrigen großen Kirchenbauten ftehen
noch, nur durch den Chorabfchluß von St. Remi
ift eine Granate gefchlagen und hat das Gewölbe
zerftört. Über die Befchädigungen an den koft-
baren Skulpturen des Nordportals und der Weft-
front läßt fich von unferen Stellungen aus nichts
feftftellen. Nach den Abbildungen der „lllu-
ftration“, des „Miroir“ und des amerikanifchen
„Outlook“ haben am nördlichen Seitenportal der
Weftfront eine große Reihe Figuren die Köpfe
verloren, bei anderen hat fich die ganze Vorder-
ste losgelöft. Die Skulpturen des Wimpergs
haben gelitten, der Kruzifixus ift herabgeftürzt.
Die meiften diefer Zerftörungen dürften indes
nicht durch Gefchoffe^ fondern durch den Brand
des Baugerüftes verurfacht fein, der den Kalk-
ftein völlig ausgeglüht hat.
ln Soisson>ftand am 7. Dezember die Kathe-
drale noch wenig verleßt da. Sie hatte im
ganzen nur vier Haupttreffer aufzuweifen. An
dem zweiten Strebepfeiler an der Nordfeite des
Chores war ein Stück unterhalb der Fiale heraus-
gefchlagen. Am Langhaus weftlich vom Quer-
fchiff ift eine Granate durch das Dach und fchein-
bar durch das Gewölbe gedrungen und hat den
Zwickel zwifchen zwei Fenftern des Obergadens
zerriffen. Der unvollendete Nordturm war in
feinem fpäteren Auffaß getroffen ;und der eine
vollendete Südturm hat einen Treffer in der
Höhe des Obergefchoffes. Von der Front von
St. Jean-des-Vignes weifen die Türme noch die
Spuren der Befchießung von 1870 auf. Da je-
doch hier wie in Reims die Franzofen fortfahren,
faft allnächtlich den Turm der Kathedrale zu
Lichtfignalen zu benußen, fo muß man fich auf
weitere Zerftörungen gefaßt machen.
Am fchlimmften fieht es an der Nordfront, in
Ärras und in Ypern aus. Von unferen Stel-
lungen läßt fich nur feftftellen, daß im Stadt-
bilde von Arras der fchlanke, reichgegliederte
Beffroi verfchwunden ift, und daß der Silhouette
vom Beffroi in Ypern das Dach und zwei der
Ecktürmchen fehlen. Auch hier war, wie in
Armentieres, wo gleichfalls der Beffroi fallen
mußte, die Befchießung durch die Benußung
diefer hohen Punkte zu Beobachtungszwecken
durch die Franzofen herausgefordert worden.
In Arras erfcheint der große Plaß mit feinen
durchgehenden Arkaden äußerlich unverleßt, da-
gegen hat das Rathaus fchwer gelitten, die eine
Hälfte diefer reichen und malerifchen Baugruppe
aus dem Übergang von der Spätgotik zur Re-
naiffance ift völlig zerftört. Und in Ypern ift
nach franzöpfchen Aufnahmen vom 5. Dezember
über dem Riefenbau der gotifchen Tuchhallen
das hohe fteile Dach mit dem charakteriftifchen
alten Dachftuhl abgebrannt. Der Beffroi hat in
25
Theodore während des Kugelregens felbft mit
Aufopferung in Sicherheit gebracht. Audi die
berühmte Wachsbüfte von Lille hat Geheimrat
Clemen in einem befondcren Kellergelaß ficher
vor Befchädigung und Temperatureinflüffen vor-
gefunden.
Nördlich der Aisnefront find Laon und auch
Noyon, entgegen anderslautenden Nachrichten,
gänzlich unberührt. Auch fonft ift zwifchen
der Nordoftgrenze Frankreichs und der Äisne
deutlich zu verfolgen, wie die Heeresleitung
überall forgfam um die Erhaltung der hiftorifchen
Denkmäler bemüht gewefen ift. Bei der Be-
fchießung von Rethel ift die hochgelegene Kirche
St. Nicolas mit ihrem reizvollen fpätgotifchen
Südportal unverfehrt geblieben. An der Schlacht-
front nördlich und öftlich von Verdun und um
den Argonnerwald fowie vor der Woevre ift
natürlich eine Reihe von Ortfchaften beim Hin-
und Herwogen des Kampfes zerftört worden, da-
für konnten aber auf dem Wege unferer Truppen
nach Südweften gerade die wichtigften Monu-
mente forglich gefchont werden: Ganz unver-
fehrt blieben die drei berühmten Wallfahrts-
kirchen: das fpätgotifche A vioth nördlich Mont-
medy, die frühgotifche von Mont füdlich Ste-
nay mit ihrem überaus reichen Figurenportal
und Notre Dame de Liesse öftlich von Laon
mit all ihren Schaßen, den Stiftungen franzö-
fifcher Könige.
Die Hauptforge der deutfchen Heeresleitung
gilt jeßt Reims und Soissoni die beide von
den Deutfchen eng eingefchloffen find und von
den Franzofen zu hartnäckig verteidigten Stüß-
punkten gemacht wurden, ln Reims haben die
Franzofen die Kathedrale wie die Abteikirche
St. Remi als Kugelfang benußt, indem fie auf
den davorgelegenen Pläßen Artillerie auffuhren,
und fie haben außerdem den Nordturm der Ka-
thedrale als Signalftation benußt, fo daß fich die
deutfche Heeresleitung fchließlich doch zu einer
Befchießung verftehen mußte. Mit dem Zeiß-
fchen Scherenfernrohr ließen fich die Befchädi-
gungen, namentlich beim Vergleich mit älteren
Aufnahmen, genau feftftellen. Der Bau der Ka-
thedrale hat überhaupt nur zwei Volltreffer be-
kommen. Die ganze Subftanz des Bauwerkes fteht
noch. Zwar ift das Dach verbrannt, aber die Turm-
front mit den beiden mächtigen ftumpfen Weft-
türmen, die Querfchiffgiebel, die feine durch-
brochene Galerie, die das Hochfchiff abfchließt,
find erhalten, und in dem Strebefyftem der Nord-
feite, die vor allem unferer Artillerie zugänglich
ift, war keine Lücke zu entdecken. An der Spiße
des Nordturms ift die eine innere Ecke durch
eine Granate weggeholt, es fcheint hier aber nur
die Bekrönung der einen Fiale abgefchlagen zu fein.
Auch die übrigen großen Kirchenbauten ftehen
noch, nur durch den Chorabfchluß von St. Remi
ift eine Granate gefchlagen und hat das Gewölbe
zerftört. Über die Befchädigungen an den koft-
baren Skulpturen des Nordportals und der Weft-
front läßt fich von unferen Stellungen aus nichts
feftftellen. Nach den Abbildungen der „lllu-
ftration“, des „Miroir“ und des amerikanifchen
„Outlook“ haben am nördlichen Seitenportal der
Weftfront eine große Reihe Figuren die Köpfe
verloren, bei anderen hat fich die ganze Vorder-
ste losgelöft. Die Skulpturen des Wimpergs
haben gelitten, der Kruzifixus ift herabgeftürzt.
Die meiften diefer Zerftörungen dürften indes
nicht durch Gefchoffe^ fondern durch den Brand
des Baugerüftes verurfacht fein, der den Kalk-
ftein völlig ausgeglüht hat.
ln Soisson>ftand am 7. Dezember die Kathe-
drale noch wenig verleßt da. Sie hatte im
ganzen nur vier Haupttreffer aufzuweifen. An
dem zweiten Strebepfeiler an der Nordfeite des
Chores war ein Stück unterhalb der Fiale heraus-
gefchlagen. Am Langhaus weftlich vom Quer-
fchiff ift eine Granate durch das Dach und fchein-
bar durch das Gewölbe gedrungen und hat den
Zwickel zwifchen zwei Fenftern des Obergadens
zerriffen. Der unvollendete Nordturm war in
feinem fpäteren Auffaß getroffen ;und der eine
vollendete Südturm hat einen Treffer in der
Höhe des Obergefchoffes. Von der Front von
St. Jean-des-Vignes weifen die Türme noch die
Spuren der Befchießung von 1870 auf. Da je-
doch hier wie in Reims die Franzofen fortfahren,
faft allnächtlich den Turm der Kathedrale zu
Lichtfignalen zu benußen, fo muß man fich auf
weitere Zerftörungen gefaßt machen.
Am fchlimmften fieht es an der Nordfront, in
Ärras und in Ypern aus. Von unferen Stel-
lungen läßt fich nur feftftellen, daß im Stadt-
bilde von Arras der fchlanke, reichgegliederte
Beffroi verfchwunden ift, und daß der Silhouette
vom Beffroi in Ypern das Dach und zwei der
Ecktürmchen fehlen. Auch hier war, wie in
Armentieres, wo gleichfalls der Beffroi fallen
mußte, die Befchießung durch die Benußung
diefer hohen Punkte zu Beobachtungszwecken
durch die Franzofen herausgefordert worden.
In Arras erfcheint der große Plaß mit feinen
durchgehenden Arkaden äußerlich unverleßt, da-
gegen hat das Rathaus fchwer gelitten, die eine
Hälfte diefer reichen und malerifchen Baugruppe
aus dem Übergang von der Spätgotik zur Re-
naiffance ift völlig zerftört. Und in Ypern ift
nach franzöpfchen Aufnahmen vom 5. Dezember
über dem Riefenbau der gotifchen Tuchhallen
das hohe fteile Dach mit dem charakteriftifchen
alten Dachftuhl abgebrannt. Der Beffroi hat in
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