BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE DER
MINIÄTURMÄLEREI / johänn michäel
SIEGFRIED LOWE Mit 5 Abbildungen / Von ERNST LEMBERGER
In der zweiten Hälfte des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts wirkten in Berlin
eine ganze Reihe Miniaturmaler, die heute faft alle der Vergeffenheit anheim gefallen
find. Einer der rührigften, Joh. Michael Siegfried Lowe, erreichte ein Alter von 75 Jahren.
Er verfertigte in mehr als 55jähriger künftlerifcher Tätigkeit einige taufend Arbeiten:
Miniaturbildniffe und Kupferftiche. Trotjdem zählen in öffentlichen und privaten Samm-
lungen Werke feiner Hand zu den größten Seltenheiten.
Der Miniaturmaler und Kupferftecher Mofes Samuel Löwe wurde am 24. Juni 1756
in Königsberg geboren. (Sein Vater, ein fehr armer, ftreng orthodoxer Handelsjude,
nahm 1812 gemäß den neuen Schußverhältniffen den Stammnamen Jaffa an.) Der junge
Löwe verfuchte fich fchon als Knabe im Porträtieren. Er wollte vom Handel nichts
wiffen und Künftler werden. Darüber grämte fich der ängftliche, einfach denkende
Vater, während der Junge an einem weiter blickenden Oheim einen energifchen Förderer
feiner für die damaligen Verhältniffe allerdings ein wenig phantaftifchen Pläne fand.
„Wie wird der Junge einft malen, da er einen folchen Pinfel zum Vater hat!“ wißelte
der refpektlofe Oheim.1
Mofes Samuel foll angeblich bereits in feiner Vaterftadt Unterricht in der Miniatur-
malerei genoffen haben. Mit 14 Jahren kam er nach Berlin, wo zwei Verwandte, die
Brüder David und Bernhard Friedländer, für feinen Unterhalt forgten. Er befuchte die
Kunftakademie und genoß dort den Unterricht von Nicolaus Blasius le Sueur, Chodo-
wiecki und Frifch. Ob damals oder fpäter ift nicht bekannt, aber eines Tages fand er,
daß Johann Michael Siegfried Lowe beffer klinge als Mofes Samuel Löwe. Und nannte
fich von der Stunde an fo (ohne feinen Glauben aufzugeben). Bis 1774 blieb Lowe
in Berlin. Er ging dann nach Dresden, um feine Studien unter Cafanova und Graff
fortzufeßen. Der Achtzehnjährige malte damals hauptfächlich hiftorifche Kompofitionen
und Bildniffe in öl. Mit einigen erfparten Grofchen unternahm er eine Studienreife
nach Italien. Er reifte über Wien, kam aber nur bis Venedig, wo ihm das Reifegeld
ausging. (Nach Rom kam er erft fpäter, gelegentlich einer zweiten Reife, die ihn nach
dem Süden führte.) Er kehrte nach Berlin zurück, fcheint aber da nicht viel Erfolg
gehabt zu haben, denn bereits 1780 faßte er den Entfchluß, fich dauernd in St. Peters-
burg niederzulaffen. Lowe hielt fich einige Jahre in Rußland auf. Nach feinen eigenen
Mitteilungen foll er die Gunft der Kaiferin Katharina II. befeffen und fie wiederholt por-
trätiert haben. (Angeblich foll er von ihr auch den Titel eines kaiferl. ruffifchen Hof-
malers erhalten haben.) Die Unruhen, die der zweiten Teilung Polens vorangingen,
veranlaßten ihn, nach Berlin zurückzukehren. 1784 malte er in Königsberg, wo er fich
vorübergehend aufhielt, Immanuel Kant in Miniatur. Das Bild gefiel dem Dargeftellten
nicht und Lowe erklärte ganz offenherzig: „es gefallt mir felbft nit!“2
1 A. Hagen veröffentlichte in den „Neuen Preußifchen Provinzialblättern“ vom Jahre 1853 eine
biographifdie Skizze über den Künftler, die ich diefer Arbeit teilweife zugrunde lege.
2 Das Bild wurde öfters geftodien. In der „Voffifchen Zeitung“ vom 16 April 1789 fand ich
folgende Anzeige: „Kun ft fachen. Immanuel Kant nach Lowe von Townleg, hoch 8 Zoll, breit 61/,,.
Herr Lowe hat bei feinem Aufenthalt in Königsberg Gelegenheit genommen, den vortrefflichen
Mann nach dem Leben zu zeichnen, wornach die königl. Hof-Kupferftich-Officin obiges Bildnis in
punctirter Manier hat verfertigen laffen, mit einer lateinifchen Infchrift aus dem Cicero. Es find
Abdrücke in fchwarz und braun, jeder für 16 Gr. im Kunftmagazin der königl. Kupferftich-Ofßcin
zu bekommen.“
Der Cicerone, VII. Jahrg., Heft 5/6
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MINIÄTURMÄLEREI / johänn michäel
SIEGFRIED LOWE Mit 5 Abbildungen / Von ERNST LEMBERGER
In der zweiten Hälfte des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts wirkten in Berlin
eine ganze Reihe Miniaturmaler, die heute faft alle der Vergeffenheit anheim gefallen
find. Einer der rührigften, Joh. Michael Siegfried Lowe, erreichte ein Alter von 75 Jahren.
Er verfertigte in mehr als 55jähriger künftlerifcher Tätigkeit einige taufend Arbeiten:
Miniaturbildniffe und Kupferftiche. Trotjdem zählen in öffentlichen und privaten Samm-
lungen Werke feiner Hand zu den größten Seltenheiten.
Der Miniaturmaler und Kupferftecher Mofes Samuel Löwe wurde am 24. Juni 1756
in Königsberg geboren. (Sein Vater, ein fehr armer, ftreng orthodoxer Handelsjude,
nahm 1812 gemäß den neuen Schußverhältniffen den Stammnamen Jaffa an.) Der junge
Löwe verfuchte fich fchon als Knabe im Porträtieren. Er wollte vom Handel nichts
wiffen und Künftler werden. Darüber grämte fich der ängftliche, einfach denkende
Vater, während der Junge an einem weiter blickenden Oheim einen energifchen Förderer
feiner für die damaligen Verhältniffe allerdings ein wenig phantaftifchen Pläne fand.
„Wie wird der Junge einft malen, da er einen folchen Pinfel zum Vater hat!“ wißelte
der refpektlofe Oheim.1
Mofes Samuel foll angeblich bereits in feiner Vaterftadt Unterricht in der Miniatur-
malerei genoffen haben. Mit 14 Jahren kam er nach Berlin, wo zwei Verwandte, die
Brüder David und Bernhard Friedländer, für feinen Unterhalt forgten. Er befuchte die
Kunftakademie und genoß dort den Unterricht von Nicolaus Blasius le Sueur, Chodo-
wiecki und Frifch. Ob damals oder fpäter ift nicht bekannt, aber eines Tages fand er,
daß Johann Michael Siegfried Lowe beffer klinge als Mofes Samuel Löwe. Und nannte
fich von der Stunde an fo (ohne feinen Glauben aufzugeben). Bis 1774 blieb Lowe
in Berlin. Er ging dann nach Dresden, um feine Studien unter Cafanova und Graff
fortzufeßen. Der Achtzehnjährige malte damals hauptfächlich hiftorifche Kompofitionen
und Bildniffe in öl. Mit einigen erfparten Grofchen unternahm er eine Studienreife
nach Italien. Er reifte über Wien, kam aber nur bis Venedig, wo ihm das Reifegeld
ausging. (Nach Rom kam er erft fpäter, gelegentlich einer zweiten Reife, die ihn nach
dem Süden führte.) Er kehrte nach Berlin zurück, fcheint aber da nicht viel Erfolg
gehabt zu haben, denn bereits 1780 faßte er den Entfchluß, fich dauernd in St. Peters-
burg niederzulaffen. Lowe hielt fich einige Jahre in Rußland auf. Nach feinen eigenen
Mitteilungen foll er die Gunft der Kaiferin Katharina II. befeffen und fie wiederholt por-
trätiert haben. (Angeblich foll er von ihr auch den Titel eines kaiferl. ruffifchen Hof-
malers erhalten haben.) Die Unruhen, die der zweiten Teilung Polens vorangingen,
veranlaßten ihn, nach Berlin zurückzukehren. 1784 malte er in Königsberg, wo er fich
vorübergehend aufhielt, Immanuel Kant in Miniatur. Das Bild gefiel dem Dargeftellten
nicht und Lowe erklärte ganz offenherzig: „es gefallt mir felbft nit!“2
1 A. Hagen veröffentlichte in den „Neuen Preußifchen Provinzialblättern“ vom Jahre 1853 eine
biographifdie Skizze über den Künftler, die ich diefer Arbeit teilweife zugrunde lege.
2 Das Bild wurde öfters geftodien. In der „Voffifchen Zeitung“ vom 16 April 1789 fand ich
folgende Anzeige: „Kun ft fachen. Immanuel Kant nach Lowe von Townleg, hoch 8 Zoll, breit 61/,,.
Herr Lowe hat bei feinem Aufenthalt in Königsberg Gelegenheit genommen, den vortrefflichen
Mann nach dem Leben zu zeichnen, wornach die königl. Hof-Kupferftich-Officin obiges Bildnis in
punctirter Manier hat verfertigen laffen, mit einer lateinifchen Infchrift aus dem Cicero. Es find
Abdrücke in fchwarz und braun, jeder für 16 Gr. im Kunftmagazin der königl. Kupferftich-Ofßcin
zu bekommen.“
Der Cicerone, VII. Jahrg., Heft 5/6
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