Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers (7.1915)

DENKMALPFLEGE ° ENTDECKUNGEN UND FUNDE • PERSONALIEN

(Aufbewahrungsraum kirchlicher Gewänder) wie-
der fo hergeftellt werden, daß der heutige Ein-
druck künftlerifch hocherfreulidi ift. Auch von
den weniger gut erhaltenen Bildern der ehe-
maligen Dominikanerkirche ift manches wieder
fichtbar geworden, das man verloren glaubte;
Retouchen wurden nur in fehr geringem Maße
angebracht. Kunftgefchichtlich befonders wichtig
ift die Erhaltung der ftark gefährdeten Krypta-
Malereien im Münfter, wo auch wieder, durch
die vorßditige Arbeit Herrn Gerhardts, Geftalten
und Einzelheiten zumVorfchein kamen, die vor
mehr als hundert Jahren noch ßchtbar waren,
inzwifchen aber dem unkundigen Auge ver-
fchwanden. Die Architekturmalerei wie die Ganz-
figuren von Bifchöfen (aus dem 12. Jahrhundert)
in den Altarnifchen der Krypta ßnd in ihrem
fragmentarifchen Zuftand konferviert worden,
ebenfo die Bilderzyklen aus gotifcher Zeit. — Man
möchte nur wünfchen, daß diefe hiftorifch und
auch künftlerifch fo lehrreichen Dokumente roma-
nifcher bis fpätgotifcher Wandmalerei in irgend
einer Weife öffentlich zugänglich werden und
daß durch periodifdie fachmännifche Kontrolle
jede fernere Schädigung des wertvollen Kunft-
gutes verhindert wird.

E. Ä. Stückelberg hat die Wandgemälde der
Predigerkirche und der Treßkammer als Beilage
zum Jahresbericht 1914 des Basler Hiftorifchen
Mufeums veröffentlicht; befonders reizvoll ift
da die Wiedergabe der Treßkammer mit der
großen Heiligendarftellung von Himer, Heinrich,
Georg, Ulrich, Chriftoph, Urs oder Moriß. — Im
gleichen Jahresbericht findet fich eine reich doku-
mentierte Arbeit R. F. Burckhardts, der als
Kunft- und Kulturhiftoriker über »Das Basler
Büfett der Renaiffance- und Barockzeit“ fchreibt.

J. C.

ENTDECKUNGEN ♦ FUNDE

BELLINZONA Über den Architekten der
Stiftskirche in Bellinzona war man bisher im
Ungewiffen. Das majeftätifche Bauwerk des
16. Jahrhunderts wurde von Dr. Lavizzari einem
unbekannten Architekten Micheletti von Caroffo
zugefchrieben, von E. Pometta dem Andrea
Ghiringhelli. Nun hat Prof. Luigi Brentoni,
Sekretär der teffinifchen Kommifßon für hifto-
rifdie Kunftdenkmäler eine Befchlußfaffung des
Gemeinderates von Bellinzoa von 1514 wieder-
gefunden, aus der hervorgeht, daß der Schöpfer
derBauzeichnungenTomafo Rodari der Architekt
und Bildhauer aus Maroggia am Luganerfee
war. T. Rodaris Anteil am Bau des Domes von
Como ift bekannt. J. C.

GRAZ In dem großen Flüchtlingsbarackenläger
Wagna, das auf der Stelle der antiken Stadt
Flavio Solva fteht, hat im Aufträge des Archäo-
logifchen Inftituts und des Steiermärkifchen
Landesmufeums Johanneum der Landesarchäo-
log in Steiermark, Univerßtätsdozent Dr. Wal-
ter Schmid fyftematifche Ausgrabungen unter-
nommen. Im Lager felbft tritt der Zug der
Gräberftraße der antiken Siedelung deutlich her-
vor. Mehrere Grabdenkmäler mit den in Solva
üblichen Reliefbüften find ausgegraben worden,
eines mit Infchrift aus der zweiten Hälfte des
2. nachchriftlichen Jahrhunderts. Beim Bau des
großen Kanals vom Lager bis zur Mur konnten
die eigentümlich breiten Straßen von Solva mit
ihren Straßengräben, Äbßußgräben und Rand-
fteinen unterfucht und die Ausdehnung der Stadt
nach Weft und Oft genau feftgeftellt werden,
nachdem die nördlichen und füdlichen Grenzen
fchon bei Grabungen 1912 zum Vorfchein ge-
kommen waren. Auch der erfte Kern der Stadt,
der um 70/71 n. Chr. angelegt wurde, hebt fich
deutlich ab. An Funden kamen Terra-Sigillata-
waren, Münzen, Gewichte, Eiferne Gegenftände
und Wandmalereien zum Vorfchein, fowie außer-
halb der Stadt drei nahe beieinander liegende
Brunnen, über deren einem Refte von Altären
mit Infchriften und Darftellungen gefunden
wurden.

POMPEJI Nach Berichten in der Parifer
Akademie der Infchriften find in jüngfter Zeit
in Pompeji wertvolle Wandmalereien neu auf-
gefunden worden, die das Triclinium einer in
der Nähe der Gräberftraße gelegenen Villa
fchmücken. Den Raum umziehen im ganzen
neun Bilder. Sechs ftellen Szenen aus der Kind-
heit und Jugend desDionyfos dar, die dreileßten
weibliche Toilettefzenen. Der künftlerifche Wert
der Malereien wird als ganz hervorragend be-
zeichnet.

SKIVE (Dänemark). In der nahegelegenen
Thifekirche wurden wertvolle Wandmalereien
auf Kalk aus dem 15. Jahrhundert aufgefunden,
die in das Kopenhagener Nationalmufeum ge-
bracht worden ßnd.

PERSONALIEN

PAUL MEYERHEIM t Am 14. Septem-
ber ftarb in Berlin 72jährig der leßte des Menzel-
fchen Kreifes, Paul Meyerheim. In Berlin 1842
als Sohn des gefchäßten Genremalers Eduard
Meyerheim geboren, begann er als Schüler feines
Vaters. Seinen Ruhm fchufen feine Tierbilder,
mit großer Freude am Anekdotifchen und leichter

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