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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 7.1915

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Heft 13/14
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Friedeberger, Hans: Ausstellung von Werken deutscher Meister aus Privatbesitz bei Fritz Gurlitt - Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.26376#0281

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AUSSTELLUNG VON WERKEN DEUT-
SCHER MEISTER ÄUS PRIVHTBESITZ
BEI FRITZ GURLITT-BERLIN

Mit 3 Abbildungen Von H. FRIEDEBERGEH

TTuf die erfte diefer fchönen Ausheilungen, die dem deutfchen Privatbefiß gewiffermaßen
A Stichproben entnahm, folgten nunmehr zwei Veranftaltungen, die es unternahmen,
mit Hilfe der Sammler fgftematifch das Wefen dreier Maler vorzuführen, die man
wohl mit Trübner als die repräfentativften Männer der neueren deutfchen Malerei be-
zeichnen darf. Sowohl die faft 40 Bilder, die für Liebermann wie für Corinth
beigebracht wurden, wie die nahezu 60 Arbeiten Slevogts bedeuteten eine feltene
Gelegenheit, über alles mögliche ins Klare zu kommen, nicht zuleßt auch darüber, wie-
viel doch an diefer unleugbar von Frankreich beeinflußten Kunft fehr unfranzöfifch und
überhaupt unromanifch fei und wie fehr man das Recht habe, gegenüber allen be-
fchränkten Köpfen und weinerlichen Hütern fchwächlicher „Sinnigkeit“ auf diefe Kunft
als auf eine fehr nationale Angelegenheit ftolz zu fein.

Davon foll indeffen hier nicht die Rede fein. Es foll auch keineswegs verfucht
werden, die Erfcheinung diefer drei Künftler auf eine nette, und zuleßt doch unzuläng-
liche Formel zu bringen. Aber es hat feinen Reiz, angefichts diefer reichhaltigen
Materialfammlung wenigftens den Hauptrichtungen diefer Künfte nachzufpüren, alte
Urteile zu revidieren, neue beftechende Theorien zu erproben, und ich will nicht leugnen,
daß die glänzenden, aber freilich nicht ungefährlichen Fechterkünfte Meier-Graefes auch
ihr gemeffen Teil zu diefen Überlegungen beigetragen haben.

Das erfte Werk der Liebermannreihe, das Bild des Bruders, das der 18jährige 1865,
alfo kurz vor dem Eintritt in Steffecks Atelier malte, bezeichnet die Vorausfeßungen,
die Liebermann vor aller Schulweisheit befaß. Die Farben find etwa die Krügerfchen,
nur fchwerer und erdiger, aber fie find lockerer aufgetragen, und die Abtönung ift be-
reits von einem Reichtum, der feltfam mit der Unbeholfenheit der Formgebung zu-
fammenpaßt. Das Bild ift mit einer außerordentlichen Hingabe und Verfenkung gemalt,
und der Mangel an Gelenkigkeit des Pinfels zufammen mit dem genauen Wiffen und
Bemühen um den Charakter des Dargeftellten haben zu einer Ausdrucksmalerei, einer
hervorhebenden Umrandung der Einzelform durch Lichtftreifen geführt, die mehr
zeichnerifch, als impreffioniftifch-malerifch anmutet. Die Stellung ift fo genommen, daß
der Körper tief ins Bild hineingeht, und eine reine Vorderanficht möglichft in allen
einzelnen, ftark gegeneinander verfchobenen Teilen vermieden wird, die erfte Dar-
ftellung des fpäteren Saßes: Malen is, wenn ick aus der Fläche eine Tiefe mache.

Diefes erfte Werk enthält fomit fchon die für Liebermann bezeichnende Vereinigung
von äußerftem Reichtum der optifchen Veranlagung mit feinem befonderen Ordnungs-
prinzip. Die Entwicklung leitender Formen vom Bildrande in die Tiefe ift immer ein
wichtiges Mittel feiner fchöpferifchen Ordnung geblieben, und auch fpäter ift es niemals
der Farbton, fondern höchftens die Farbfläche, meift aber die plaftifche Form, was die
Blicke des Befchauers leitet. Wie bei dem kleinen Bilde der Neßflickerinnen von 1884
(bei Bruno Caffirer) nicht eine farbige Abtönung der roten Neße den Weg beftimmt,
den das Auge zu gehen hat, fondern die Wiederholung der gleichen Farbe und ihre
Form, fo liegt in dem Bilde des Badewärterkarrens (1908) die zum erften Male in
größeren Mengen rein verwendete Farbe breit und beherrfchend nur im Vordergründe,
während fie weiter hinten in kleinen Flächen unabgeftuft und nur Richtung gebend ver-

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