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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 7.1915

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Heft 4
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Schmidt, Robert: Justus Brinckmann †
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https://doi.org/10.11588/diglit.26376#0097

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JUSTUS BRINCKMÄNN t

In diefer Zeit eines ungeheuerlichen Totentanzes kommen wir leicht in Ver-
keilung, die Tragik des Einzelfalles weniger fchwer zu empfinden als in
gewöhnlichen Tagen. Manch hoffnungsvolles Leben ift aus dem Kreife der
deutfchen Kunftwiffenfchaftler und Mufeumsleute im verfloffenen Kriegshalbjahr
bereits gelöfcht, und man hat kaum Zeit gefunden, den Verluft richtig zu
würdigen; nun hat uns der Tod einen der Älteften genommen, und wir fühlen,
daß uns hier eine unausfüllbare Lücke geriffen worden ift.

Juftus Brinckmann, der lebenfprühende, fchaffensfrohe, ift vor qualvoll
tatenlofem Siechtum gnädig bewahrt geblieben; in den Sielen ift er geftorben,
bis zum leisten Augenblick die Kräfte feinem Lebenswerke widmend. Wir
wiffen wohl, daß vor einigen Jahren der Tod eine ernfthafte Mahnung an
ihn richtete, und daß feine unverwüftlich fcheinende Lebenskraft feitdem von
einem drohenden Schatten begleitet blieb; aber wir fahen auch, wie er fich
mutig ftemmte gegen ein langfames Äusgefchaltetwerden, das für ihn härter
gewefen wäre wie der Tod. So ift er aufrecht und glücklich geftorben.

Wie kaum einem war es Juftus Brinckmann vergönnt, ein früh gedecktes
Lebensziel zu erreichen, es aus dem Nichts durchzuzwingen bis zu der Stufe
der Vollendung, die wir in freudiger Bewunderung reftlos anerkennen. Sein
Denkmal hat er fich felbft gefeßt in feinem Mufeum. Denn fein Mufeum ift
es, feine ureigenfte Schöpfung, Stück für Stück zufammengetragen wie ein
köftlicher Schaß und gehegt mit der forgenden und ftolzen Liebe eines Vaters.
Wer das Glück gehabt hat, längere Zeit mit ihm in feinem Mufeum zufam-
menarbeiten zu dürfen, dem wird es unvergeßlich fein, in welch perfönlichem
Kontakt er mit den Gegenftänden feiner Sammlung ftand, wie er es verftand,
fie zum Reden zu bringen und wie er in unermüdlicher Zähigkeit nicht ruhte,
bis er alle Rätfel gelöft hatte, die fie aufgaben. Als er begann, fich der Er-
forfchung des Kunftgewerbes zu widmen, da gab es faft nur Rätfel, und
wenn uns Angehörigen einer jüngeren Generation der Weg zur Erkenntnis
bereits durch viele klare, tatfächliche Forfchungsergebniffe gefeftigt und ge-
ebnet ift, fo haben wir das nicht zum Wenigften der raftlofen Arbeit Brinck-
manns zu danken. Er war der erften einer, die an die Stelle einer geiftreich
phantafierenden Betrachtung eine fcharf kritifche Beobachtung gefeßt, und aus
der äfthetifchen Spielerei mit „unferer Väter Werken“ eine ernfthafte, metho-
difche Wiffenfchaft gemacht haben.

Es ift hier nicht der Ort, eine Lebensgefchichte diefes vielfeitigen und in
jeder Einzeltätigkeit doch wieder fo wundervoll einfeitig fcheinenden Mannes
zu fchreiben; das hat vortrefflich fein ihm im Tode vorausgegangener nächfter
Kollege, Alfred Lidhtwark, getan in der Feftfchrift zum 25jährigen Jubiläum
des Hamburgifchen Mufeums für Kunft und Gewerbe im Jahre 1902. Und
in der fich daran anfchließenden Würdigung der Sammlung in ihren einzelnen
Teilen durch Freunde und Schüler Brinckmanns auch die Freunde werden
fich willig in mehr als einer Beziehung als feine Schüler fühlen — ift die un-

Der Cicerone, VII. Jahrg., Heft 4

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