Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 7.1915
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https://doi.org/10.11588/diglit.26376#0049
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Heft 2
DOI Artikel:Balet, Leo: Neuerwerbungen des Bremer Kunstgewerbe-Museums
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NEUERWERBUNGEN DES BREMER KUNST-
GEWERBE-MUSEUMS
Ebenfalls eine Ulmer Arbeit, aber etwas
jüngeren Datums (vielleicht um 1500) ift
eine Anna felbdritt (Abb. 3) von großmütter-
licher Liebenswürdigkeit. Sie ftammt wahr-
[cheinlich aus der Werkftatt, welche die
Anna felbdritt lieferte, die augenblicklich am
Weftportal des Ulmer Münfters aufgeftellt
ift und die nach Baum „den Zufammen-
hang mit der Art Sgrlins nicht verleugnet“.
Man vergleiche die Behandlung des Kopf-
fchleiers, den Faltenwurf des Gewandes
über und unter dem Gürtel, die Anordnung
des Mantels und namentlich die kleine lefende
Maria mit ihren auf die Bruft herunter-
hängenden Locken und ihrem zu langen
Kleidchen. Das Jefuskind fehlt leider bei
unferer Figur, wofür aber die Polychromie
mit Ausnahme weniger abgefprungener Stellen
feiten gut erhalten ift. Das Silber des
Kopffchleiers, das Gold des Mantels und
des Kleidchens der kleinen Maria, das blaue mit bunten
Blümchen verzierte Gewand der beforgten Großmutter
leuchten faft noch in altem Glanze.
Die dritte Figur aus der Sammlung Fremd (Abb. 4)
ift abermals eine Maria mit dem Kinde in rotem
Kleid und goldenem, blaugefütterten Mantel. An-
geblich ftammt fie aus Hohenzollern. Von den Bild-
fchnißern der Reichsftadt Ravensburg wiffen wir aber
zu wenig, um unfere Madonna für einen der vielen
Ravensburger Meifter aus dem Ende des 15. Jahr-
hunderts in Anfpruch nehmen, oder auch nur einer
beftimmten oberfchwäbifchen Werkftatt zufchreiben
zu können. Leider hat diefe vorzügliche Skulptur
durch eine frühere Reftauration gelitten: die beiden
Ärmchen des fonft entzückenden Kindes find falfch
ergänzt. Eine Stelle am Bauch weift darauf hin, daß
urfprünglich der linke Arm dort angelegt war. Die
Erneuerung des Sockels und die teilweife Äusbeffe-
rung der alten Faffung wirken weniger ftörend.
Zur Ergänzung unferer mittelalterlichen Abteilung
hat uns die Sammlung Fr. Geiger-Neu-Ulm ebenfalls
manches Stück käuflich überlaffen. Die beiden leuch-
tertragenden Engel (Abb. 5), fchwäbifche Lindenholz-
fkulpturen um 1480, find nicht fo fehr bedeutend
wie die drei gotifchen Rofenkranzanhänger (Abb. 6)
aus vergoldetem Silberguß. Der erfte zeigt uns die
Krönung Mariä in üblicher Darftellung, der zweite
Äbb. 2. Madonnenftatue
Holzfkulptur, der Werkftatt des Gregor
Erhärt naheftehend. Ulm, um 1480
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GEWERBE-MUSEUMS
Ebenfalls eine Ulmer Arbeit, aber etwas
jüngeren Datums (vielleicht um 1500) ift
eine Anna felbdritt (Abb. 3) von großmütter-
licher Liebenswürdigkeit. Sie ftammt wahr-
[cheinlich aus der Werkftatt, welche die
Anna felbdritt lieferte, die augenblicklich am
Weftportal des Ulmer Münfters aufgeftellt
ift und die nach Baum „den Zufammen-
hang mit der Art Sgrlins nicht verleugnet“.
Man vergleiche die Behandlung des Kopf-
fchleiers, den Faltenwurf des Gewandes
über und unter dem Gürtel, die Anordnung
des Mantels und namentlich die kleine lefende
Maria mit ihren auf die Bruft herunter-
hängenden Locken und ihrem zu langen
Kleidchen. Das Jefuskind fehlt leider bei
unferer Figur, wofür aber die Polychromie
mit Ausnahme weniger abgefprungener Stellen
feiten gut erhalten ift. Das Silber des
Kopffchleiers, das Gold des Mantels und
des Kleidchens der kleinen Maria, das blaue mit bunten
Blümchen verzierte Gewand der beforgten Großmutter
leuchten faft noch in altem Glanze.
Die dritte Figur aus der Sammlung Fremd (Abb. 4)
ift abermals eine Maria mit dem Kinde in rotem
Kleid und goldenem, blaugefütterten Mantel. An-
geblich ftammt fie aus Hohenzollern. Von den Bild-
fchnißern der Reichsftadt Ravensburg wiffen wir aber
zu wenig, um unfere Madonna für einen der vielen
Ravensburger Meifter aus dem Ende des 15. Jahr-
hunderts in Anfpruch nehmen, oder auch nur einer
beftimmten oberfchwäbifchen Werkftatt zufchreiben
zu können. Leider hat diefe vorzügliche Skulptur
durch eine frühere Reftauration gelitten: die beiden
Ärmchen des fonft entzückenden Kindes find falfch
ergänzt. Eine Stelle am Bauch weift darauf hin, daß
urfprünglich der linke Arm dort angelegt war. Die
Erneuerung des Sockels und die teilweife Äusbeffe-
rung der alten Faffung wirken weniger ftörend.
Zur Ergänzung unferer mittelalterlichen Abteilung
hat uns die Sammlung Fr. Geiger-Neu-Ulm ebenfalls
manches Stück käuflich überlaffen. Die beiden leuch-
tertragenden Engel (Abb. 5), fchwäbifche Lindenholz-
fkulpturen um 1480, find nicht fo fehr bedeutend
wie die drei gotifchen Rofenkranzanhänger (Abb. 6)
aus vergoldetem Silberguß. Der erfte zeigt uns die
Krönung Mariä in üblicher Darftellung, der zweite
Äbb. 2. Madonnenftatue
Holzfkulptur, der Werkftatt des Gregor
Erhärt naheftehend. Ulm, um 1480
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