Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 7.1915
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https://doi.org/10.11588/diglit.26376#0052
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Heft 2
DOI Artikel:Balet, Leo: Neuerwerbungen des Bremer Kunstgewerbe-Museums
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NEUERWERBUNGEN DES BREMER KUNSTGEWERBE-MUSEUMS
Einen wefentlich höheren
Kunftwert hat die aus der Samm-
lung Emden - Hamburg ftam-
mende große Bremer Truhen-
platte (Abb. 11) mit der be-
kannten Darftellung der Heils-
gefchichte, 16. Jahrhundert-Ende.
Unter dem Lebensbaum, deffen
linke Hälfte verdorrt ift, deffen
rechte Hälfte blüht, fißt der
Menfch. Links von ihm fteht
Mofes, rechts Johannes der Täu-
fer, die beide auf Chriftus hin-
weifen. Die linke Hälfte der
Platte enthält ferner Darftellun-
gen aus dem Alten Teftament:
Adam und Eva unter dem Baum,
zu ihren Füßen ein Skelett —
der Tod als Strafe ihrer Sünde
— ferner die Gefchichte der eher-
nen Schlange mit dem Zeltlager
der Juden im Hintergrund, links oben in der Ecke Mofes mit den Gefeßestafeln. Die
rechte Hälfte der Platte bringt neuteftamentliche Szenen: die frohe Botfchaft an die
Hirten, Chriftus am Kreuz mit dem Gotteslamm, die Auferftehung und als obere Eck-
füllung Mariä Verkündigung. Obgleich bereits nachgewiefen, daß derartige Dar-
ftellungen auf die Lübecker Bibel vom Jahre 1532—34 zurückgehen, ift die direkte
Vorlage weder von diefer Truhenplatte, die zweifellos zu den beften auf diefem
Gebiet gehört, noch von den übrigen, in unferem Mufeum und anderen Sammlungen
(Hamburg, Kopenhagen, Hannover, Königsberg) vorhandenen, bis jetjt aufgefunden
worden. Die Seitenwangen enthalten die Wappen der Familien Van Trandorff, Schar-
nier, Van Utinspergk und Van Watzdorf, über die nur ermittelt werden konnte, daß
zwei davon zu dem meißnerifchen Adels-
kreis zählen. Demnach wurde diefe Tru-
henplatte von Auswärtigen in Bremen be-
ftellt, denn es liegen keine Gründe für die
Annahme vor, daß die feitlichen Schmal-
bretter anfänglich nicht zu dem horizon-
talen Hauptbrett gehörten. Die Echtheit
diefer Truhenplatte wurde von Kollegen
wohl in der Hauptfache wegen der un-
glaublich guten Erhaltung angezweifelt.
Förderte die Entfernung der braunen Beize
auch eine Unmenge von kleinen Ergän-
zungen, fowie manche nachgefchnißte
Stelle zutage, fo wird das Gutachten von
Herrn Profeffor Brinckmann-Hamburg, der Äbb. 8 Gotifdies Lederkäftdien mit Bronze-
das Stück, was Echtheit anbetrifft, für befchlag. Niederdeutfdi, 15. Jahrh.
Abb. 7. Goti|dies Lederkäftdien mit Eifenbefchlag.
Deutfdi, 15. Jahrh.
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Einen wefentlich höheren
Kunftwert hat die aus der Samm-
lung Emden - Hamburg ftam-
mende große Bremer Truhen-
platte (Abb. 11) mit der be-
kannten Darftellung der Heils-
gefchichte, 16. Jahrhundert-Ende.
Unter dem Lebensbaum, deffen
linke Hälfte verdorrt ift, deffen
rechte Hälfte blüht, fißt der
Menfch. Links von ihm fteht
Mofes, rechts Johannes der Täu-
fer, die beide auf Chriftus hin-
weifen. Die linke Hälfte der
Platte enthält ferner Darftellun-
gen aus dem Alten Teftament:
Adam und Eva unter dem Baum,
zu ihren Füßen ein Skelett —
der Tod als Strafe ihrer Sünde
— ferner die Gefchichte der eher-
nen Schlange mit dem Zeltlager
der Juden im Hintergrund, links oben in der Ecke Mofes mit den Gefeßestafeln. Die
rechte Hälfte der Platte bringt neuteftamentliche Szenen: die frohe Botfchaft an die
Hirten, Chriftus am Kreuz mit dem Gotteslamm, die Auferftehung und als obere Eck-
füllung Mariä Verkündigung. Obgleich bereits nachgewiefen, daß derartige Dar-
ftellungen auf die Lübecker Bibel vom Jahre 1532—34 zurückgehen, ift die direkte
Vorlage weder von diefer Truhenplatte, die zweifellos zu den beften auf diefem
Gebiet gehört, noch von den übrigen, in unferem Mufeum und anderen Sammlungen
(Hamburg, Kopenhagen, Hannover, Königsberg) vorhandenen, bis jetjt aufgefunden
worden. Die Seitenwangen enthalten die Wappen der Familien Van Trandorff, Schar-
nier, Van Utinspergk und Van Watzdorf, über die nur ermittelt werden konnte, daß
zwei davon zu dem meißnerifchen Adels-
kreis zählen. Demnach wurde diefe Tru-
henplatte von Auswärtigen in Bremen be-
ftellt, denn es liegen keine Gründe für die
Annahme vor, daß die feitlichen Schmal-
bretter anfänglich nicht zu dem horizon-
talen Hauptbrett gehörten. Die Echtheit
diefer Truhenplatte wurde von Kollegen
wohl in der Hauptfache wegen der un-
glaublich guten Erhaltung angezweifelt.
Förderte die Entfernung der braunen Beize
auch eine Unmenge von kleinen Ergän-
zungen, fowie manche nachgefchnißte
Stelle zutage, fo wird das Gutachten von
Herrn Profeffor Brinckmann-Hamburg, der Äbb. 8 Gotifdies Lederkäftdien mit Bronze-
das Stück, was Echtheit anbetrifft, für befchlag. Niederdeutfdi, 15. Jahrh.
Abb. 7. Goti|dies Lederkäftdien mit Eifenbefchlag.
Deutfdi, 15. Jahrh.
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