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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 7.1915

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Heft 3
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Mayer, August Liebmann: Die spanischen Azulejos und ihre Bedeutung für die Erforschung der Quattrocentomalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.26376#0088

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DIE SPANISCHEN AZULEJOS UND DIE QUATTROCENTOMALEREI

Die piemontefifchen und füdfranzöfifchen Quattrocentobilder weifen mehrfach
einen geometrifch reichgemufterten Fliefenboden auf, der nichts mit den katalonifchen
zu tun hat; man hat fchon verfchiedentlich diefe Stücke katalonifchen Meiftern (befon-
ders gern Boraffa) zufchreiben wollen, wie die vier fehr reizvollen Stücke mit Szenen
aus der Urfulalegende in der Sammlung Sir F. Beaufort Palmer1 (Abb. 2). Sie ge-
hören aber ganz in die Nähe der nur wenig fpäter entftandenen Stücke Nr. 260 und
261 der Sammlung Johnson in Philadelphia, die Berenfon im erften Band des Ka-
talogs diefer Sammlung (Abb. 260, 261) ins füdöftliche Piemont verfemt und — meines
Erachtens — mit „gegen 1475“ felbft für einen zurückgebliebenen Maler etwas reich-
lich fpät datiert.

Die kaftilifchen Bodenfliefen weifen faft ausfchließlich rein geometrifche Mufter auf,
eine befondere Beliebtheit genoß das Würfelmufter und das Diamantfpi^enmufter (a. a. O.
Abb. 78, 81, 85). Vielfach kann man da eigentlich nicht mehr von „Azulejos“ fprechen.
Pedro Berrugueteiftin feinen Bodenfliefen mit am abwechflungsreichften. Er verwendet
gern recht große Mufter. Ich kann bei diefer Gelegenheit ein bisher ganz unbekanntes
Werk diefes bedeutenden kaftilifchen Meifters veröffentlichen, eine „Vermählung der
hl. Jungfrau“ (Abb. 4), die fich im Madrider Privatbefitj befindet. Das Stück geht ganz
mit den aus Avila in den Prado gelangten Bildern des Meifters zufammen, man ver-
gleiche es namentlich mit dem „Wunder des hl. Thomas von Aquin in feiner Grabes-
kirche" und dem „So. Domingo de Guzman“ (Kat. Nr. 616).

In dem Band „Memling“ der „Klaffiker der Kunft“, den Karl Voll herausgegeben
hat, ift im Anhang auf S. 153 ohne jegliche Anmerkung eine „Kafelverleihung an den
hl. Ildefons“ aus dem Befiß von M. E. Pacullg in Paris abgebildet. Schon der hier
dargeftellte Vorwurf weift auf Spanien, insbefondere auf Toledo. Auch das Wappen
dürfte fpanifch fein, ebenfo fcheint die größere Strenge der Zeichnung und Derbheit
der Engel auf einen fpanifchen, zum mindeften auf einen in Spanien tätigen Künftler
aus der Schule oder dem Kreis Memlings zu deuten. Vor allem aber find die Boden-
fliefen unverkennbar fpanifches Produkt, fie zeigen ganz den Charakter der bei den
Azulejos der Toledaner Fabriken zu Ausgang des 15. Jahrhunderts befonders beliebt
war. Ich glaube, daß gerade diefer zuletjt befprochene Fall ein befonders draftifcher
Beweis für die Wichtigkeit einer allgemeineren Beachtung der fpanifchen „Azulejos“ ift.

1 Vgl. Zeitfdir. f. Bild. Kunft. N. F. 25, S. 67.

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