Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 7.1915
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https://doi.org/10.11588/diglit.26376#0127
DOI Heft:
Heft 5/6
DOI Artikel:West, Robert: Bernhard Hoetger und die Stilwandlung des 20. Jahrhunderts
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BERNHARD HOETGER UND DIE STILWANDLUNG DES 20. JAHRHUNDERTS
Äbb. 3. BERNHARD HOETGER, Brunnengruppe
„Auferftehung“ und des „Lebens“ andeutet. Das Sakrale, hieratifch Gebundene der
jüngften Plaftik Hoetgers ift in diefem Jüngling bereits vorhanden, wie es überhaupt
von hohem Intereffe ift zu beobachten wie in den Arbeiten feit 1907 vereinzelt immer
wieder der Zug zu realiftifcher Darftellung durchbricht, um dann in Werken von
äußerfter Strenge abermals gebändigt zu werden. So findet fich Hoetger in dem großen
männlichen Akt des „Athleten“ von 1909 mit dem Bewegungsmotiv des Rodinfchen
„Penfeur“ ab, indem er es nach feinem eigenen Stilgefühl umwandelt. In der hoheits-
vollen Göttinnengeftalt „Schauen“ vereint er den Realismus der Darftellung mit dem
ftrengen faft ftilifierten Aufbau der Form und der Haltung. Im Platanenhain endlich
treffen wir den Gipfelpunkt in dem Suchen nach reiner plaftifcher Form und der Schön-
heit der Linien. Wir haben dort die ganze Skala der Hoetgerfchen Ausdrucksmittel in
einem einzigen Garten vereint.
Über den Pfeilern des Eingangs drohen zwei machtvolle Tiere, ein Leopard und
ein Silberlöwe. In diefen Werken, die den Übergang von der Kunft zu der Natur
fchaffen füllten, blieb Hoetger unbedingter Realift. Jeder charakteriftifche Nerv diefer
Tierleiber, das Kaßenartige in der Bewegung, die Raubtierkraft in der Haltung, die
Gefchmeidigkeit der Glieder, die weiche Haarigkeit der Felle, die Sprungbereitfchaft der
Muskeln, das alles ift bis in die geringfügigften Details beobachtet und mit erftaunlicher
Meifterfchaft wiedergegeben. Aber fchon hier zeigt Hoetger fich von neuem als Über-
winder des Realismus. Durch die beiden auf den Tieren reitenden Kinder verftand er
es die Silhouette der Gruppen fo zu zeichnen wie er fie an diefer Stelle brauchte
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Äbb. 3. BERNHARD HOETGER, Brunnengruppe
„Auferftehung“ und des „Lebens“ andeutet. Das Sakrale, hieratifch Gebundene der
jüngften Plaftik Hoetgers ift in diefem Jüngling bereits vorhanden, wie es überhaupt
von hohem Intereffe ift zu beobachten wie in den Arbeiten feit 1907 vereinzelt immer
wieder der Zug zu realiftifcher Darftellung durchbricht, um dann in Werken von
äußerfter Strenge abermals gebändigt zu werden. So findet fich Hoetger in dem großen
männlichen Akt des „Athleten“ von 1909 mit dem Bewegungsmotiv des Rodinfchen
„Penfeur“ ab, indem er es nach feinem eigenen Stilgefühl umwandelt. In der hoheits-
vollen Göttinnengeftalt „Schauen“ vereint er den Realismus der Darftellung mit dem
ftrengen faft ftilifierten Aufbau der Form und der Haltung. Im Platanenhain endlich
treffen wir den Gipfelpunkt in dem Suchen nach reiner plaftifcher Form und der Schön-
heit der Linien. Wir haben dort die ganze Skala der Hoetgerfchen Ausdrucksmittel in
einem einzigen Garten vereint.
Über den Pfeilern des Eingangs drohen zwei machtvolle Tiere, ein Leopard und
ein Silberlöwe. In diefen Werken, die den Übergang von der Kunft zu der Natur
fchaffen füllten, blieb Hoetger unbedingter Realift. Jeder charakteriftifche Nerv diefer
Tierleiber, das Kaßenartige in der Bewegung, die Raubtierkraft in der Haltung, die
Gefchmeidigkeit der Glieder, die weiche Haarigkeit der Felle, die Sprungbereitfchaft der
Muskeln, das alles ift bis in die geringfügigften Details beobachtet und mit erftaunlicher
Meifterfchaft wiedergegeben. Aber fchon hier zeigt Hoetger fich von neuem als Über-
winder des Realismus. Durch die beiden auf den Tieren reitenden Kinder verftand er
es die Silhouette der Gruppen fo zu zeichnen wie er fie an diefer Stelle brauchte
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