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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 7.1915

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Heft 5/6
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West, Robert: Bernhard Hoetger und die Stilwandlung des 20. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.26376#0133

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BERNHARD HOETGER UND DIE STILWANDLUNG DES 20. JAHRHUNDERTS

Äbb. 9. BERNHARD HOETGER, Relief „Der Frühling“

bei dem „Schlaf“ behandelt, wo die Löfung fo felbftverftändlich erfcheint, daß man
die kompofitionelle Schwierigkeit faft ganz vergißt. Hoetger hatte pch die Aufgabe
geftellt, im Relief die ganze menfchliche Geftalt zu zeigen, ohne fich irgend eines der
üblichen Hilfsmittel, Verhüllen, Drapieren, Verftecken, Zurückweichenlaffen, zu bedienen.
Er hat von jeder perfpektivifchen oder malerifchen Behandlung des Hindergrundes ab-
gefehen. Alles, was das Auge fieht, ift fefte Form, nirgends zerßattert ein Gewand,
nirgends wird ein Eindringen der Luft möglich. Das Wefen des Steines, die große
und ewige Form als der leßte Sinn der Plaftik kommen allein zur Geltung.

Elf Geftalten, acht weibliche und drei männliche, bringen den Gedanken, der jeder
diefer Arbeiten zugrunde liegt, in verfchiedenen Stellungen klar zum Ausdruck. Immer
wiederholt pch die gleiche Anordnung der fechs ftehenden und der vier kauernden
Geftalten, wobei die drei männlichen Figuren fo verteilt werden, daß zwei ftehende
an die Äußenfeiten kommen, eine hockende fich in der Mitte befindet. Abfolute Strenge
der Symmetrie, immer gleichlautende Rhythmik des Vortrags wird fchon hierdurch als
Grundlage der Kompofition bezeichnet. Die fißende Mittelpgur ift immer Zentrum der
ganzen Gruppe, bei den anderen zehn Figuren wiederholen immer zwei die gleiche
Bewegung und Haltung im Gegenfinn und zwar fo, daß die fechs ftehenden Figuren
fich paarweife entfprechen, während die der Miltelfigur zunächft fißenden Geftalten das
gleiche Bewegungsmotiv aufnehmen und die beiden am entfernteften von der Mittel-
figur hockenden Geftalten fich abermals entfprechen. Das Rhythmifche diefer Anord-
nung wird nur leife variiert durch die Verfchiedenartigkeit des Ausdrucks in den
Köpfen. Diefe Figuren unterliegen alle der Gebundenheit durch das Gefetj, welches
nur von dem individuellen Gefichtsausdruck durchbrochen wird. Alle ftehenden Figuren
pnd nackt, die fitjenden drapiert, fo daß nur ein Teil des Oberkörpers und die Arme

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