Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 7.1915
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.26376#0136
DOI Heft:
Heft 5/6
DOI Artikel:West, Robert: Bernhard Hoetger und die Stilwandlung des 20. Jahrhunderts
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.26376#0136
BERNHARD HOETGER UND DIE STILWANDLUNG DES 20. JAHRHUNDERTS
Abb. 12. BERNHARD HOETGER, Relief „Die Auferftehung“
der mittleren und den zwei äußeren Mantelnifchen find die fymmetrifch gelegten
Hände der den Mantel haltenden ftehenden Figuren als krönender Abfchluß der Nifche
gedacht. Man beachte auch die hockende Mittelfigur mit den über die hoch neben-
einander geteilten Knie gelegten Händen, über welchen nun noch der prächtige herab-
gefunkene Schädel des Schlafenden erfcheint. Die Verbindung der beiden ftehenden
Aktfiguren mit diefer Mittelfigur, die Art wie jede Linie und jede Form bedacht und
zu der anderen in Beziehung gebracht ift, fo daß das Ganze in dem einzigartigen
Rhythmus als ein Meifterftück der Kompofition erfcheint, das läßt fidi in feiner mufi-
kalifch reifen Schönheit nur nachfühlen, nicht befchreiben. Vom Hintergrund find nur
fpiße dreieckige Zwickel oben zwifchen den ftehenden Figuren übrig geblieben, die als
ftilifierte blaue Wolken den Gedanken des Reliefs als Symbol der Nacht unterftütjen.
Die Gewänder der am Boden kauernden Figuren find olivgrün bemalt, was einen
guten Kontraft zu der rötlich-braunen Färbung der Mäntel wie zu den Fleifchtönen
der unbekleideten Geftalten ergibt.
Das vierte und letjte Relief: „Auferftehung“ ift nicht nur die künftlerifch fchönfte der
Platanenhain-Skulpturen, fondern darf vielleicht als die reiffte Schöpfung des Meifters
überhaupt angefprochen werden. Hier offenbart fich vor allem, ähnlich wie bei dem
„Schlaf“, die dem Künftler eigene Herrfchaft über die Form und feine Fähigkeit, jedem
geiftigen Wefen durch diefe Form Körperlichkeit zu verleihen. Von alters her gilt der
Auferftehungsgedanke als eines der fchwierigften Probleme der chriftlidren Kunft. Denn
rein künftlerifch handelt es fich hier darum, einen noch mit der Erdenfchwere abfoluter
Sichtbarkeit und Greifbarkeit belafteten Körper als vom Gefetj der Schwere entbunden
in ätherifche Regionen fich erhebend darzuftellen. Bernhard Hoetger faßt den myfti-
fchen Vorgang der Auferftehung ganz geiftig als ein inneres Befreitwerden, als ein
Loslöfen des Menfchen vom Irdifehen, ein Wachwerden zu neuem Tag. Jede Linie
114
Abb. 12. BERNHARD HOETGER, Relief „Die Auferftehung“
der mittleren und den zwei äußeren Mantelnifchen find die fymmetrifch gelegten
Hände der den Mantel haltenden ftehenden Figuren als krönender Abfchluß der Nifche
gedacht. Man beachte auch die hockende Mittelfigur mit den über die hoch neben-
einander geteilten Knie gelegten Händen, über welchen nun noch der prächtige herab-
gefunkene Schädel des Schlafenden erfcheint. Die Verbindung der beiden ftehenden
Aktfiguren mit diefer Mittelfigur, die Art wie jede Linie und jede Form bedacht und
zu der anderen in Beziehung gebracht ift, fo daß das Ganze in dem einzigartigen
Rhythmus als ein Meifterftück der Kompofition erfcheint, das läßt fidi in feiner mufi-
kalifch reifen Schönheit nur nachfühlen, nicht befchreiben. Vom Hintergrund find nur
fpiße dreieckige Zwickel oben zwifchen den ftehenden Figuren übrig geblieben, die als
ftilifierte blaue Wolken den Gedanken des Reliefs als Symbol der Nacht unterftütjen.
Die Gewänder der am Boden kauernden Figuren find olivgrün bemalt, was einen
guten Kontraft zu der rötlich-braunen Färbung der Mäntel wie zu den Fleifchtönen
der unbekleideten Geftalten ergibt.
Das vierte und letjte Relief: „Auferftehung“ ift nicht nur die künftlerifch fchönfte der
Platanenhain-Skulpturen, fondern darf vielleicht als die reiffte Schöpfung des Meifters
überhaupt angefprochen werden. Hier offenbart fich vor allem, ähnlich wie bei dem
„Schlaf“, die dem Künftler eigene Herrfchaft über die Form und feine Fähigkeit, jedem
geiftigen Wefen durch diefe Form Körperlichkeit zu verleihen. Von alters her gilt der
Auferftehungsgedanke als eines der fchwierigften Probleme der chriftlidren Kunft. Denn
rein künftlerifch handelt es fich hier darum, einen noch mit der Erdenfchwere abfoluter
Sichtbarkeit und Greifbarkeit belafteten Körper als vom Gefetj der Schwere entbunden
in ätherifche Regionen fich erhebend darzuftellen. Bernhard Hoetger faßt den myfti-
fchen Vorgang der Auferftehung ganz geiftig als ein inneres Befreitwerden, als ein
Loslöfen des Menfchen vom Irdifehen, ein Wachwerden zu neuem Tag. Jede Linie
114