Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 7.1915
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https://doi.org/10.11588/diglit.26376#0170
DOI Heft:
Heft 7/8
DOI Artikel:Bombe, Walter: Uffizien-Zeichnungen
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UFFIZIEN-ZEICHNUNGEN
Proben vorgeführt werden. Eine Reife des Frate nach Rom im Jahre 1514 und die
Betrachtung der Sixtinafresken Michelangelos und der Stanzen Raffaels führen dann
zum Verzicht auf die Helldunkelwirkungen der vorigen Epoche und zu machtvoller
Belebung der Formen, aber für feine an plaftifche Ruhe gewöhnte Sinnesart kam diefe
Summe neuer Eindrücke zu fpät. An Körper und Geift vorzeitig aufgerieben, ftarb er
drei Jahre fpäter, im Alter von nur 45 Jahren.
Wie am Ende des 16. Jahrhunderts in der Architektur Italiens das Malerifche fiegt,
fo fiegt auch in der Malerei das Malerifche; ja, es erfcheint in der Malerei zuerft und
wirkt dann auf die anderen Künfte weiter. Während wir die ftärkfte Ausbildung des
Malerifchen in der Architektur des 17. Jahrhunderts fehen, müffen wir es für die Malerei
früher anfetjen. Die von Michelangelo vertretene Richtung in der Malerei erwies [ich
infofern als unfruchtbar, als die an
ihn anknüpfende Kunft des Manieris-
mus keine befonderen künftlerifchen
Individualitäten hervorgebracht hat
und nur durch eine äußerliche Größe
und eine ziemlich bedeutende Ge-
fchicklichkeit im Zeichnen und in der
Technik fich auszeichnete, von Sarto
und Pontormo natürlich abgefehen.
Von Pontormo bringt Carlo Gamba
eine ganze Anzahl großzügiger Blätter
aus feiner an Sarto gemahnenden
Frühzeit und aus der mittleren michel-
angelesken Periode in chronologifcher
Anordnung, wobei Pontormos er-
ftaunliche Fähigkeit, einen kolorifti-
fchen Eindruck mit Rötelftrichen und
ausgefpartem Weiß wiederzugeben,
ebenfo zur Erfcheinung kommt, wie
das von innen hervorquellende Leben
und das momentane der Auffaffung.
Nur von einem Zeichner des 16. Jahr-
hunderts wird Pontormo hierin noch
übertroffen, von Tintoretto, deffen
meifterliche Strichführung und flak-
kernde Umrißlinie etwas geradezu
fafzinierendes hat. Das von uns hier
wiedergegebene Blatt (f. Abb. 9), eine
Pinfelzeichnung auf gelblichem Papier
in der erften Manier des Meifters,
der tote Chriftus von zwei Engeln
zu Grabe getragen, würde genügen,
feine berühmte Äußerung verftändlidi
zu madien, er weigere fich, irgend-
einen Unterfchied zwifchen der vor-
läufigen Studie und dem vollendeten
Äbb. 7. TIZIAN, Federfkizze
zum Porträt des Herzogs
Francesco Maria von Urbino
Florenz, Uffizien,
Handzeichnungs-
fammlung
148
Proben vorgeführt werden. Eine Reife des Frate nach Rom im Jahre 1514 und die
Betrachtung der Sixtinafresken Michelangelos und der Stanzen Raffaels führen dann
zum Verzicht auf die Helldunkelwirkungen der vorigen Epoche und zu machtvoller
Belebung der Formen, aber für feine an plaftifche Ruhe gewöhnte Sinnesart kam diefe
Summe neuer Eindrücke zu fpät. An Körper und Geift vorzeitig aufgerieben, ftarb er
drei Jahre fpäter, im Alter von nur 45 Jahren.
Wie am Ende des 16. Jahrhunderts in der Architektur Italiens das Malerifche fiegt,
fo fiegt auch in der Malerei das Malerifche; ja, es erfcheint in der Malerei zuerft und
wirkt dann auf die anderen Künfte weiter. Während wir die ftärkfte Ausbildung des
Malerifchen in der Architektur des 17. Jahrhunderts fehen, müffen wir es für die Malerei
früher anfetjen. Die von Michelangelo vertretene Richtung in der Malerei erwies [ich
infofern als unfruchtbar, als die an
ihn anknüpfende Kunft des Manieris-
mus keine befonderen künftlerifchen
Individualitäten hervorgebracht hat
und nur durch eine äußerliche Größe
und eine ziemlich bedeutende Ge-
fchicklichkeit im Zeichnen und in der
Technik fich auszeichnete, von Sarto
und Pontormo natürlich abgefehen.
Von Pontormo bringt Carlo Gamba
eine ganze Anzahl großzügiger Blätter
aus feiner an Sarto gemahnenden
Frühzeit und aus der mittleren michel-
angelesken Periode in chronologifcher
Anordnung, wobei Pontormos er-
ftaunliche Fähigkeit, einen kolorifti-
fchen Eindruck mit Rötelftrichen und
ausgefpartem Weiß wiederzugeben,
ebenfo zur Erfcheinung kommt, wie
das von innen hervorquellende Leben
und das momentane der Auffaffung.
Nur von einem Zeichner des 16. Jahr-
hunderts wird Pontormo hierin noch
übertroffen, von Tintoretto, deffen
meifterliche Strichführung und flak-
kernde Umrißlinie etwas geradezu
fafzinierendes hat. Das von uns hier
wiedergegebene Blatt (f. Abb. 9), eine
Pinfelzeichnung auf gelblichem Papier
in der erften Manier des Meifters,
der tote Chriftus von zwei Engeln
zu Grabe getragen, würde genügen,
feine berühmte Äußerung verftändlidi
zu madien, er weigere fich, irgend-
einen Unterfchied zwifchen der vor-
läufigen Studie und dem vollendeten
Äbb. 7. TIZIAN, Federfkizze
zum Porträt des Herzogs
Francesco Maria von Urbino
Florenz, Uffizien,
Handzeichnungs-
fammlung
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