Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 7.1915

DOI Heft:
Heft 19/20
DOI Artikel:
Literatur
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.26376#0398

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
LITERATUR

Vermächtnis, das innerlich in fich aufzunehmen
und zu verarbeiten, Ehrenpflicht eines jeden
Kunfthiftorikers ift. G. B.

Hermann Muthefius, DIE ZUKUNFT DER
DEUTSCHEN FORM. 50. Heft der politifchen
Flugfdiriften, herausgegeben von Ernft Jäckh,
Deutfche Verlagsanftalt, Stuttgart-Berlin.

Die Brofchüre, die von Muthefius’ gefundem
und rechtlichem Kunftwollen Zeugnis ablegt, faßt
in knappen Zügen die politifche, ökonomifche
und künftlerifche Entwicklung Deutfchlands vor
dem Kriege zufammen und feßt die Gründe aus-
einander, warum fich in Deutfchland eine Ab-
rundung der äußeren Form (gefällige Sicherheit
und Repräfentation) bisher nicht vollziehen
konnte. Früher unbetretene Verbindungswege
zwifchen den politifchen Gewalten und der künft-
lerifchen Erfcheinung öffnen fich heute nach allen
Seiten. Auch Muthefius kommt zu der nicht oft
genug zu formulierenden Abwehr der nationalen
Inzucht- und Abfchließungsbewegung. Die Frei-
heit internationaler Konkurrenz foll nicht be-
fchränkt werden. Wohl aber wird das welt-
beherrfchende Änfehen Deutfchlands einer äfthe-
tifch und handwerklich hochentwickelten, nationa-
len Formgeftaltung die äußere, internationale
Geltung verschaffen.

Muthefius, der in mutigem Optimismus die
Einzelfragen der zukünftigen Formbewegung zu
löfen ftrebt (Forderungen wie diejenige nach
einer ftaatlichen Kontrolle zur äfthetifchen und
nationalen Reinigung der Firmen- und Reklame-
fchilder müffen freilich als Entgleifungen abge-
lehnt werden), erhofft eine neue Vereinigung
aller Künfte unter Führung der Architektur.

Wir wünfchen, daß der Appell des Führers
Muthefius an die Kreife der Schaffenden und
Auftraggeber den erwarteten Widerhall finde.
Leider hat aber die Entwicklung des modernen
Kunftgewerbes, die lange vor dem Kriege mit
viel Hoffnungsfreudigkeit einfeßte, in dem ver-
wickelten und vieltönigen Getriebe des modernen
Lebens, das Blüte, Frucht und Verfall neben-
einander zeigt, fo viel Trübungen und fpielerifche
Abbiegungen erfahren, daß wir nicht ohne
Skepsis allen geradlinigen Verheißungen gegen-
überftehen. S. Sch.

Hans Hildebrandt, DER PLATANENHAIN.
EIN MONUMENTALWERK VON BERNHARD
HOETGERS. Mit 21 Abbildungen. Berlin 1915.
Verlag von Paul Caffirer.

Zu den Schöpfungen, deren unmittelbare An-
regungen der Krieg kurz abgebrochen hatte,
gehört auch die neue große Monumental-

fchöpfung Bernhardt Hoetgers, der Schmuck des
Platanenhains auf der Darmftädter Mathilden-
höhe. So ift es doppelt erfreulich, daß diefe
Schrift nicht nur von neuem auf diefes Denkmal
großer, plaftifcher Gefinnung hinweift, fondern
daß fie es auch unternimmt, die Quellen aufzu-
decken, aus denen diefe Kunft ftrömt, und die
Stränge, die fie mit der allgemeinen Kultur ihrer
Zeit und ihres Landes verbinden. Denn es kann
nach den klaren und fachlich begründeten Säßen
Hildebrandts kein Zweifel fein, daß die Hoetger-
fche Kunft mit ihrer Gefeßmäßigkeit, Myftik und
Architektonik durchaus ein einheimifches Ge-
wächs der deutfchen Kunft unferer Tage dar-
ftellt, und es ift nicht mehr als ein weiteres
Zeichen für den Beftand einer allgemein wirk-
famen Weltkultur, wenn die erften Stücke des
neuen Hoetgerfchen Stiles zu einer Zeit auf-
treten, wo fich in Frankreich der Kreis Maillols
unter ähnlichen Bedingungen vom Impreffionis-
mus Rodins loslöft. Gerade diefe Nebeneinander-
ftellung zeigt die franzöfifchen Künften ftreng
abgekehrte Art Hoetgers, die noch mehr als in
ihrem ardiitektonifchen Gebundenem, in der
geheimnisvollen Innerlichkeit ihres Wefens und
in der faft pantheiftifchen Beseelung der Materie
uralt deutfches Gut bewahrt. Diese Kunft ift
nicht ohne weiteres überall und jedem verftänd-
lich, weil fie eben nicht nur gefehen (wie die
romanifche), fondern auch erlebt und empfunden
fein will. Es ift Hildebrandt doppelt zu danken,
daß er den Lefer mit ficherer Hand die nicht
immer leicht zu findenden Wege führt, auf denen
die Gedanken des Künftlers zu ihrem Ausdruck
kamen. Außerordentlich forgfältige und fehr
feine Auflöfungen des Gegebenen nach den for-
malen und inhaltlichen Bedingungen, unterftüßt
durch eine große Zahl guter Aufnahmen geben
eine vortreffliche Vorbereitung auf diefes Werk,
das berufen ift, den großen Monumentalauf-
gaben der nächften Zukunft vorangeftellt zu
werden. H. Fr.

Zu der im Leipziger Kunft-Verein ftattfinden-
den AUSSTELLUNG DEUTSCHER KUNST DES
19. JAHRHUNDERTS AUS PRIVATBESITZ ift
ein 127 Nummern umfaffender zuverläffig ge-
arbeiteter Katalog mit Abbildungen erfchienen,
aus dem man wiederum einen Überblick über
den Reichtum an intereffanten Kunftwerken in
Privatbefiß, der in Leipzig durchaus nicht ge-
ring ift, bekommt. Wenn die Äusftellung allein
von Böcklin fünf beglaubigte Werke, von
Feuerbach drei bedeutende Zeichnungen, von
Caspar David Friedrich, Alt, Amerling,
Ragski charakteriftifche Proben enthält, um
von dem vielen übrigen Bedeutfamen nicht zu

376
 
Annotationen