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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 7.1915

DOI issue:
Heft 21/22
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Grautoff, Otto: Zum Problem der Antike und des Barocks im 17. Jahrhundert in Italien und Frankreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.26376#0406

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ZUM PROBLEM DER ANTIKE UND DES BAROCKS IM 17. JAHRHUNDERT

flbb. 1. Satyr und Mänade in der Villa Ludovisi in Rom

Logik des Einfachen, die Klarheit des Notwendigen finnfällig machen follten. Das
gelang, weil die Menfchen felbft [ich nach antiken Ideen bildeten. Das Maß, die Zu-
rückhaltung, die ifolierte Würde, die Objektivität der Hochrenaiffance find aus einer
intellektuellen Auffaffung der antiken Welt herausgewachfen. Der menfchliche Körper
wurde wie in der Antike unter dem Gefichtspunkt des Gleichgewichts, der Symmetrie
oder eines ftrengen Rhythmus geformt. Für die Bildkompofition wurden die klaren
Prinzipien der antiken Architektur grundlegend.

Wir möchten fagen, Raffael hat die ideale Erfüllung von Mantegnas unreifer und
kurzfichtiger Antikenlehre gegeben. Hat Raffael mit dem Verftand die antike Welt
durchdrungen, fchaffend fein Gefühl gezügelt und der willensftarken Ruhe untergeordnet,
fo ließen [ich direkte Gefühlsniederfchläge in der Kunft nicht für immer zurückzwingen.
Botticellis Jugendgeift ftand wieder auf, drängte ans Licht, durchjauchzte die Welt und
wollte von neuem das All umarmen. Man hatte genug von den großen Tragödien-
dichtern, die alle fubjektiven Empfindungen in einen Typus zufammenfaffen wollten.
Das Einzelne wollte fein Dafeinsrecht erweifen. Man griff zu den bunten, mannig-

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