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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 1
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Scharf, Alfred: Die Brautschachtel der Sammlung Figdor
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0031

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I talienisch, um 1430 Außenwand der Brautschachtel

Wien, Sammlung Figdor

DIE BRAUTSCHACHTEL DER SAMMLUNG

FIGDOR VON ALFRED SCHARF

V011 den symbolischen Zeichen der Liebe hat das Herz in den Minneliedern der Trou-
badoure, in den Kanzonen und Sonetten italienischer Dichter seit Petrarca, ebenso
seinen Platz gefunden wie in bildlichen Darstellungen seit der Renaissance. Symbolische
und allegorische Darstellungen des Herzens konlcurrieren mit symbolischen Szenen
des Herzraubes und der Herzensübergabe. Von der Verbreitung des Herzsymbols in
der bildenden Kunst der Renaissance geben noch zahlreiche Majoliken und Kupfer-
s'tiche Zeugnis. Letztere waren vermutlich billiger Ersatz für gemalte Darstellungen
und dazu bestimmt, auf Kästchen, die der Liebhaber seiner Braut oder die Dienerin
undAmme ihrer Herrin zur Hochzeit schenkten, aufgeklebt zu werden. Von gemalten
kostbaren Dedikationen dieser Art — zahlreichen Cassoni, Desci und Minnekästchen —
ist nur die eine Brautschachtel der Sammlung Figdor vom Quattrocento bis auf unsere
Tage gekommen, auf der eine Szene dieses Inhalts zu sehen ist. Sie zählt zu den an-
mutigsten und kostbarsten Gegenständen, die das Quattrocento hinterlassen hat. 28 cm
Durchmesser und 12 cm Llöhe bezeichnen die Größe des Schmuckstückes, das früher
Teil der Sammlung Spitzer in Paris war. Es ist vollständig vergoldet und reich bemalt.
Auf dem Rund der Wand ist die kleine Schachtel mit Medaillons in Pastiglia zwischen
Kompartimenten mit reliefiertem Laubwerk geschmückt. Die Harmonie zwischen be-
malten und plastischen Teilen trägt wesentlich zu dem bezaubernden Eindruck bei, den
das Kästchen hinterläßt.

Die Medaillons zerfallen in zwei Gruppen, von denen die erste, wichtigere und künst-
lerisch wertvollere Tiergruppen, die übereinander herfallen, in vergoldetem Pastiglia
zeigt. Zwei Hunde greifen eine Hirschkuh an, ein Löwe zerfleischt einen Hirschen, ein
Adler fällt über ein Rind her. Offenbar handelt es sich hier um didaktische Darstel-
lungen von Tierfabeln. Die andere Reihe hat in zwei Feldern Putten, die vor sich
einen Wappenschild halten, dessen Deutung bisher niclit gelungen ist und in einem
dritten einen Panther, das Venustier, alle in Temperafarben. Die Tierfabeln und der
Panther stehen in Beziehung zum Inhalt des Deckelbildes, der bedeutendsten Dar-
stellung der Schachtel. Geneigten Hauptes nähert sicli ein Jüngling seiner Geliebten
um ihr sein glühendes Herz zu übergeben. Eine Szene von einer Lauterkeit der Ge-
sinnung und Einfachheit des seelischen Ausdrucks, wie ihr nur wenig an die Seite ge-
stellt werden kann. Beide Figuren tragen reiche pelzbesetzte Gewänder, die eine Har-
 
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