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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 2
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0087

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KUNST-LITERATUR

EMIL WALDMANN: WJLIIELM LEIBL. Mit
a63 Abbildungen au£ Tafeln. Bruno Cassirer,
Verlag, Berlin 1930.

I)ic große von der Galerie Matthiesen zusammen
mit dem WalJraf-Riehartz-Museum und der Preu-
ßisehen Akademie der Künste in diesem Jahre ver-
anstaltcte Leibl-Ausstellung hat durch das neue, in
unvermutete Breite gehendo Interesse, welclies sie
für Leihls Kunst erregte, es endlich ermögliclit,
daß Autor und Verlag sicli cnlschließen konnti'n,
der Jängst vergriffenen erslcn Auflage des Wald
mannschen Buches die zweite folgen zu lassen:
denn LeibJs Kunst, in den Generationen des Im-
pressionismus und mehr nocli des Expressionismus
eher geachtet als geliebt, ist durch sie wieder ak-
tuell geworden. Nicht jenc von Liebe und Haß
umtobte Aktualität hat sie zwar bekommen, die
nur dem unerwartcten Neuen zuteil wird, jedoch
die tiefcre, welche im Längstbekannten plötzlich
bisher übersehene Züge entdeckt, entdeckt, daß in
dem scheinbar Toten mehr Leben ist, als in dem
scheinbar Lebendigen, daß liier das eivige Leben
der Kunst leuchtet, während dort Leichen ein
fremder Lichtstrahl, sucliend über sie bingleitend,
die trügerische Grimasse des Lebens für einen
kurzen Augenblick hatte annehmen lassen.

Aber nicht nur diese neue Aktualität drängte zu
einer Wiederherausgabe des Waldmannschen
»Leibl«, sondern auch der Umstand, daß inzwi-
sclien über ao Werke wieder aufgetaucht waren,
und daß von einer ganzen Anzalil vordem nur aus
literarischen Nachrichten bekanntcn Stücken jetzt
der Aufbewahrungsort genannt und Aliljildungen
gegeben werden konnten. So ist der Oeuvrekatalog
nun wesentlich ergänzt worden, und man kann an-
nelimen, daß er in seiner neuen Form das prak-
tiscli abgeschlossene Verzeiclinis des Malerwerkes
Leibls ist.

Es gibt neben guten auch sclilechte Oeuvrekata-
loge, aucli solche von Malerwerken des 19. Jahr-
hunderts, auch solche verfaßt von sehr angeselie-
nen Gelebrten. Waldmanns Katalog scheint mir
neben Mcier-Graefes Marees-Katalog ein vorbild-
liclier zu scin, in der Anlage sowohl, als in der
Durchführung. Titel des Bildes, Tcchnik, Mate-
rial, Maße, eventuelJe Signierung und Datierung
werden angegeben, wenn diese fehlt, die ver-
mutliche Entstehungszeit, und scliließlich Prove-
nienz und der augenblickliche Besitzer. Besonders
zu begrüßen sind die sehr gewissenhaften Angaben
über die Provenienz, dic sonst oft, namentlich in
der deutschen Kunstliteratur, im Zeichen liocli-
mütiger Stilkritik gern vernachlässigt werden, ob-
wohl Fälle wie der der Wackerschen van Goghs
zur Bescheidenheit mahnen. Waldmann hat wenn
irgendmöglich, jedes Werk bis zum Atelier des
Künstlers, seiner Verwandt- und Freundschaft,
dem Dargestellten oder, was einem solchen Stamm-

baum gleichwertig ist, etwa bis zur Sammlung
Seeger zurückgeführt. Und einigemal hat der nacli
Oualität verlangende Stilkritiker, vor allem bei
Jugendwerken, sich — selir mit Recht — vor un-
bedingt zuverlässiger Überlieferung gebeugt. Sehr
angenehm für den Benutzer des Kataloges ist es,
daß nun im Gcgensatz zur erslen Auflage Katalog
und Abbildungsnummer gleichlaufen. Diewenigen
nicht abgebildeten Bilder sind mit Zusetzung eines
Buchstabens unter der vorhergelienden Nummer
eingeordnet. Aucli daß dieses Mal ein Orts- und ein
Sachregister vorlianden ist, wird’bcgrüßt werden.
Der Text ist größenteils neugeschriebcn. Er ist
sprachlich gepflegter geworden, und Teile, die
191/1 noeli etwas im Nolizenmaterial sbeckengc-
blieben waren, nehmen nun an dem allgemeinen
Niveau der Darstellung teil. Die Lebensgeschichte
ist fortgelassen, nur ihre wichtigsten Datcn sind
dem Text vorangestellt. Die Wertung und Deu-
tung der Lclblschen Kunst ist im wesentlichen die-
selbe geblieben wie vor i5 Jaliren. Aber eindring-
licher als damals ist jetzt — was wohl auch jedem
Besucher der Leibl-Ausstellung klar geworden ist
— hervorgehoben, daß die letzten Schaffensjahre
des Meisters seinen Ilöhepunkt darstellen. Mögen
dic um den Pariser Aufenthalt sich gruppierenden
Bilder vielleicht, auch die artistischsten seien, sie
sind docli so, wie sie die beste europäische Malerei
damals grundsätzlich ebenso malte. In der zweiten
Hälfte der neunziger Jahre aber liat Leibl gemalt,
wie niemand vor oder nach ihm. Da ist er sein
eigener Klassiker geworden. Da bekommt seine
eigenste Malerei betörenden sinnlichen Schmelz,
hierin an llenoir erinnernd, und was bei Leib]
nocli mehr bedeutet, in ihr entfaltet sich eine
Mcnschlichkeit, deren scheinbarer Mangel sein
früberes Werk belastete, und die nun, wo man sie
gefunden, rückstrahlend uns auch dieses verklärt.
Die 2 63 Abbildungen — bis auf wenige Ausnah-
men ganzseitig — uncl das Druckbilcl des Textes,
stehen bei Waldmanns »Leibl« auf der beim Ver-
lage Bruno Cassirer gewohnten Hölie. W. v. Alten

W. FILCHNER: »OM MANI PADME IIUM«. Mit
vielen Abbildungen nach Handzeichnungen des
Vcrfassers, 48 ICunstdrucktafeln sowie einer
Übersichtskarte. Geheftet i3 RM., Ganzleinen
i5 RM. Brockhaus, Leipzig.

In diesem für Asienforscher besonders interessan-
ten Buch berichtet Filchner über seine China- und
Tibetexpedition 1925/28 in einer vorbildlich ein-
fachen, oft ergreifenden Sprache. Diese Expedi-
tion galt zu einem guten Teil der Erforschung der
tibetischen Hochebene, und da diese auch im
Brennpunkt kommender kunstwissenschaftlicher
Entdeckungen stehen dürfte, wird die Lektüre des
FilchnerschenWerkes auch denFreunden asiatischer
Kunst reicben Genuß bedeuten. Biermann

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