Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0133
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Heft 4
DOI Artikel:Neugass, Fritz: Paul Cézanne (1839-1906)
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0133
Paul Cezanne
Sammlung Paul Guillaume, Paris
Badencle
Bernheim jeune ab. Der Rokokorahmen des Gartens und die Gruppe der beiden Mäd-
chen in ihrem seltsam erotischen Reiz gemahnen an Bilder von Lancret. Es ist kein
Zufall, daß Cezanne zu dieser Zeit gerade Bilder dieses Meisters kopierte. Die beiden
Männer, die im Hintergrunde in einer niclit gerade würdevollen Haltung dargestellt
sind, erinnern in ihrer grotesk übersteigerten Silhouette an manche Karikaturen Dau-
miers. Das Kolorit in stumpfem Grau und Blau und Grün ist der Beginn von Cezannes
eigener Palette, aber die delikaten Farbflecke der roten Korallen im dunklen Haar und
der weißen Blumen auf dem schwarzen Kopftuch sind ganz mit Manetschen Augen
gesehen. Der Sturm der Erregung über die »Olympia« und die Pressefehde Zolas für
Manets Künstlertum sind nicht ungehört verklungen.
Niclit viel später ist ein Männerbildnis aus der Sammlung Vollard anzusetzen, das schon
ganz die geschlossene Form seines Porträttypus zeigt und vielleicht sogar ein Selbst-
bildnis des Künstlers aus dem Anfang seiner dreißiger Jahre ist. Die hohe kahle Stirn,
das dichte Haar an den Schläfen, der volle Backenbart, das Auge, die Nase, dies alles
zeigt eine gewisse Ähnlichkeit mit seinen späteren Biklnissen. Nur das Kinn ist aus-
rasiert und ändert ein wenig den Gharakter des uns durch die ganze Reihe seiner
Selbstporträts bekannten Kopfes. Die Farbbehandlung zeigt eine weiclie Courbethafte
Tonigkeit. Külin sind die Lichter auf Stirn und Nase aufgesetzt und der stoffliche
Charakter des offenen Hemdes, des Rockes und des Samtkragens ist auf das subtilste
gekennzeichnet. Cezanne modellierte mit derFarbe und vermied alle linearen Elemente.
Stärker als Courbet wußte er die Farbe zu verdichten und in ihren Tönen zu differen-
zieren. Er milderte und verfeinerte die Kontraste und vervielfaclite die Valeurs. War
Courbet die Verheißung, so ist Cezanne für uns die Erfüllung geworden.
Die Reilie seiner Selbstporträts gibt uns, ähnlich wie bei Rembrandt, ein Spiegelbild
seiner inneren Entwicklung. Noch vor 1875 muß das Selbstbildnis der Collection
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Sammlung Paul Guillaume, Paris
Badencle
Bernheim jeune ab. Der Rokokorahmen des Gartens und die Gruppe der beiden Mäd-
chen in ihrem seltsam erotischen Reiz gemahnen an Bilder von Lancret. Es ist kein
Zufall, daß Cezanne zu dieser Zeit gerade Bilder dieses Meisters kopierte. Die beiden
Männer, die im Hintergrunde in einer niclit gerade würdevollen Haltung dargestellt
sind, erinnern in ihrer grotesk übersteigerten Silhouette an manche Karikaturen Dau-
miers. Das Kolorit in stumpfem Grau und Blau und Grün ist der Beginn von Cezannes
eigener Palette, aber die delikaten Farbflecke der roten Korallen im dunklen Haar und
der weißen Blumen auf dem schwarzen Kopftuch sind ganz mit Manetschen Augen
gesehen. Der Sturm der Erregung über die »Olympia« und die Pressefehde Zolas für
Manets Künstlertum sind nicht ungehört verklungen.
Niclit viel später ist ein Männerbildnis aus der Sammlung Vollard anzusetzen, das schon
ganz die geschlossene Form seines Porträttypus zeigt und vielleicht sogar ein Selbst-
bildnis des Künstlers aus dem Anfang seiner dreißiger Jahre ist. Die hohe kahle Stirn,
das dichte Haar an den Schläfen, der volle Backenbart, das Auge, die Nase, dies alles
zeigt eine gewisse Ähnlichkeit mit seinen späteren Biklnissen. Nur das Kinn ist aus-
rasiert und ändert ein wenig den Gharakter des uns durch die ganze Reihe seiner
Selbstporträts bekannten Kopfes. Die Farbbehandlung zeigt eine weiclie Courbethafte
Tonigkeit. Külin sind die Lichter auf Stirn und Nase aufgesetzt und der stoffliche
Charakter des offenen Hemdes, des Rockes und des Samtkragens ist auf das subtilste
gekennzeichnet. Cezanne modellierte mit derFarbe und vermied alle linearen Elemente.
Stärker als Courbet wußte er die Farbe zu verdichten und in ihren Tönen zu differen-
zieren. Er milderte und verfeinerte die Kontraste und vervielfaclite die Valeurs. War
Courbet die Verheißung, so ist Cezanne für uns die Erfüllung geworden.
Die Reilie seiner Selbstporträts gibt uns, ähnlich wie bei Rembrandt, ein Spiegelbild
seiner inneren Entwicklung. Noch vor 1875 muß das Selbstbildnis der Collection
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