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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 5
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0168

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hätte sagen dürfen, hier könne kaum etwas im tie-
feren Sinn befriedigen. Ferner war irrig, immer
wieder zu behauptcn, es handle sich hier um Ein-
stellungen von vorgestern. Die Haltung weite-
rer Kreise hewies ja eben, wie wenig diese »ge-
strigen, längst verdauten Stoffe« noch irgendwie
assimiliert sind. Es herrschte wiederum der Irr-
tum, daß abstrakte Malerei längst erledigt sei und
deutJichst aligclöst durch Malerci der neuen Ge-
genslandsverschärfung. Ein schwerer geschichtli-
cher Irrtum. Nicht nur Picasso, der sich dem Ge-
genständlichen vor Jahren zugewandthatte, istwie-
der ins Abstrakle abgebogen. Die Mehrzahl heuti-
ger Gestalter lebt in innersler Sympalhie gerade
mit diesen Möglichkeiten. Auch Unterzeichneter
übrigens, den man nicht zitieren möge fürs Gegen-
teil, weil er vor Jahren in seinem Buche über »ma-
gischen Reälismus« den einen Flügel ncuester
Kunst mit ihren spezifischen Reizen darstellen
wollte. Ilabe mit Ilerauspräparierung und Hinhal-
tung des einen Astes am Baume der Gegenwarts-
kunst niemals den anderen ansägen wollen. Be-
haupte heute ausdrücklicher denn je, daß abstrakte
und konkretisierende Malerei so nebeneinander
herlaufen werden wie absolutc und angewandte
Musik.

Auch ist es falsch, immer wieder zu hehaupten,
sogenannte abstrakte Malerei sei ein spezifisch
deutsches Denkgespinst. Jene Gesamtbewe-
gung zur Ausrottung des Gegenständlichen hat
geographisch verschiedene Quellpunkte: Weiter-
eiitwicklung des Kubismus (Paris), absolute Male-
rei und Suprematismus (Kandinskv und Male-
witsch, Rußland), Stijlgruppe (Mondrian, Does-
burg, d. h. Holland-Paris).

Wie kurzsichtig auch hier grundsätzlich »Kunst-
gewerbe« zu wittern! Ist doch diese Kategorie oder
Zensur nicht iin mindesten davon abhängig, ob wir
abstrakte oder gegenständliche Malerei vor uns ha-
ben. (Wie könnte man sonst gegenständliche
überhaupt jemals kunstgewerblich nennen.) Roh

IIUNDERT AQUARELLE YON PAUL KLEE IN
DER »FIDES«, DRESDEN
Bei Fünfzigjährigen übersieht man mcist die Ent-
wicklung nach vorwärts und rückwärts. Bei Klee
entstehen immer noch neue und überraschende
Erfindungen und Gestaltungen, die in eine ferne
Zukunft weisen und zugleich das bisherige Bild
des Malers neuartig erhellen. Die innere Verbun-
denheit der verschiedenen Yariationen seines dau-
ernd sich entwickelnden Formbildes dürfte heute
der klarste Beweis für die Notwendigkeit undKon-
sequenz der singulären Begabung Klees sein, wenn
es eines solchen bedürfte. Kaum eine neue Arbeit,
die sich nicht in Beziehung setzte zu Versuchen
aus früheren Perioden des Schaffens, kaum eine
ällere Arbeit, die nicht in einer späteren auf höhe-
rer Ebene sich vollendete. Auch dem Kenner der
Kunst Ivlees dürfte es nicht immer leicht fallen,

in aRen Fällen die Chronologie zu erraten, so in
sich geschlossen isl der Komplex dieses Schaffens.
Von Ägypten, wo Klee um die Wende des Jahres
1928 zu 192g war, hat er manches neue Gesicht
mitgebracht, »Der Kopf vor dem Erwachen« oder
der »Ilotbärtige« sind Anfänge ciner neuen Wand-
malerei, die ägyptischen Landschaften, wenn man
diese Blätter so nennen darf, Kompositionen von
vollendeter Einfachheit. Aber dicht daneben ent-
stehcn Luftbilder wie der »Sturm«, die »Atmo-
sphärische Gruppe«, »Vor dem Schnee«, »Irrende
Seele«, Darstellungen, wie aus einem Geisterreich
heimlich davongetragen, von artistischen Feinhei-
ten, die gar nic.ht zu registrieren sind. Und immer
wieder dazwischen der vertraute Klee mit dem nie
erschöpften Vorrat seiner BildvorstelJungen.

W. Grohmann

HEINRIGH ZILLE IM FRANKFURTER
KUNSTVEREIN

Die erste umfassende Schau des volkstümlichen
Berliner Künstlers in Frankfurt! Mit, Tlilfe der
Nationalgalerie und anderer öffentlicher Samm-
lungen, Überraschend die schnell hingeworfenen
Skizzen. Rhythmischer Schwung, Feinheit der
Linie, treffsichere Lebendigkeit dcrBewegung. Am
köstlichslen die farbigen Blätter. Weiche Strich-
führung, sensibles Kolorit, selbst bei Ironisierung
knalliger Pseudoeleganz des Kleinhürgers.

Dagegen zu nüchtern manche detaillicrt gegebene
Zeichnung aus dem Bestreben nach illustrativ ge-
treuer Abschilderung der beobachtetcn Wirklich-
keit.

Zille ist eigenartig in der sozialen Einstellung,
ohne Pathos der Anklage. Er beschreibt fast fata-
listisch neben den Leiden und dem endlosen Jam-
mer die Freuden und Genüsse des vierten Standes,
aus dem er stammt. Als Entdecker des Berliner
Proletariats um die Jahrhundertwende, das er in
das Licht der Kunst hebt, wird sein Name in der
Kultur- und Kunstgeschichte bestehen bleiben.

Sascha Schwabacher

JUNGE VLAMEN IN KREFELD

Kaiser-Wilhelm-Museum
Die Februarausstellung bringt eine orientierende
Schau über »Vlämische Künstler«. Den Sojähri-
gen J a m e s E n s o r sah man bereits früher mit
einer Sonderausstellung iiber vier Jahrzehnte sich
erstreckender Arbeiten. Eingangs der jetzigcn Aus-
stellung haben das mystische Maskengebil.de »Ver-
suchung des hl. Antonius«, das in gliihenden Far-
ben gehaltene Bildnis »Marquise« und eine flä-
chige, zart getönte »Balletszene« zwischen den na-
turvolleren, barock - baulichen Landschaftsgestal-
tungen M. v. Vlamincks (u. a. »Das Schloß«,
»Luftballon«) Platz gefunden. Hier schließen sich
die Jiingeren an. Zunächst Gustave de Smet
mit abstrakt-figürlichen und landschaftlichen Mo-
tiven und Kompositionen. Sein dunkles, nach

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