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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 6
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Biermann, Georg: Paul Strecker
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0183

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Paul Strecker Jüngling. 1929

Mit Genehmigung der Galerie Flechtheim, Berlin

PAUL STRECRER von georg biermann

Was hat es mit dieser Jugend in der Kunst, die heute 25— 50 Jahre alt ist, doch für
eine Bewandtnis? Sie hat in Jahren, da der Mensch noch nicht reif zum Urteil sein
konnte, Furchtbares erlebt. Väter und ältere Brüder starben im Krieg dahin, während
sie selbst noch auf der Schulbank saß, vier Jahre immer nur von Menschenmord hörte,
seelisch und materiell darbte, um dann Revolution und Inflation durchzumachen, die
beide so manchen jungen Menschen aus der Bahn geworfen haben.

Einer der Vielen, ernst und nachdenklich geworden durch diese Zeit, hatte noch vor
dem Krieg das Glück — das heißt in Jahren, die unvergänghch konstant schienen —
einem Meister wie Cezanne von Angesicht zu Angesicht zu begegnen, damals, 1912,
als ich die erste Sammlung Dr. Reber auf der Mathildenhöhe in Darmstadt ausstellte,
die fast ein Dutzend der Hauptwerke dieses Meisters neben anderem hervorragenden
Kunstgut aus älterer und neuerer Zeit umfaßte. Vorher hatte ich an der gleichen
Stelle ■— von der Mannheimer Kunsthalle übernommen — die Sammlung von Dr. Karl
Lanz in Mannheim gezeigt, die ausschließlich alte Kunst enthielt. Meine Absicht,
diesen ersten Ausstellungen deutscher Privatsammlungen weitere folgen zu lassen
(z. B. die der berühmten Sammlung des Baron Herzog in Budapest) wurde durch den
inzwischen aktuell gewordenen Plan der letzten deutschen Jahrhundert-Ausstellung
verzögert, die unter dem Titel »Deutsches Barock und Rokoko« im Mai 1914 im
Darmstädter Residenzschloß eröffnet wurde.

Warum ich an diese Tatsachen erinnere: weil damals von Mainz der noch sehr junge
Sohn aus einer alten Verlegerfamilie nach Darmstadt kam, Cezanne sah und seit jenem
Augenblick den entscheidenden Entschluß seines jungenLebens faßte, Maler zu werden.
Es war jener Paul Strecker, der hier mit ein paar Worten vorgestellt sein soll. Über
Krieg und Revolution hinweg hat er an seiner Absicht festgelialten, und heute malt er,
wie so mancher junger Deutsche, in Paris, das heißt in jener Stadt, die allein von allen
Großstädten in Europa das Fluidum für künstlerische Arbeit hat. Es ist ihm ernst um das
Ringen und er ist bestimmt kein Flaneur in den paradiesischen Gefilden der Kunst. Er
hat Cezanne durch und durch erlebt, hat sein Talent zögernd an dem Werk des Großen
entwickelt und trotzdem seine Sprache gefunden, obwohl der Scliatten des Meisters von
Aix immer noch liinter den Bildern des jungen Menschen steht. Das Vorbild ist offen-

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