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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 6
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0190

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Paul Klee Bühnenlandschaft. Ölbild. 1922

Aus der Ausstellung des Graphischen Kabinetts (G. Franke), Miinchen

spazierend erlustigen kann. Die Idee ist. sehr
hübsch, aber man konnte sich die Ausführung
noch weit erfinderischer, das Eingehen auf den
graphischen Reiz der Landkarte konsequenter den-
ken. Wolfradt

BRÜSSELER AUSSTELLUNGEN

Die Retrospeklive von Constant Permekes Werk
im »Palais des Beaux-Arts« ist unbedingt daswich-
tigste Ereignis dieser Saison. Nicht weniger als
600 sich über eine 20 jährige Arbeit erstreckende
Werke, Gemälde und Zeichnungen sind versam-
melt, d. h. weit rnehr als das Doppelle des im
vergangenen Jahr bei der Antwerpener »Art Con-
temporain«-Ausstellung Gezeigten. Der Künstler
besteht diese Prüfung vortrefflich. Seine Kunster-
scheint uns in ihren verschiedenartigen Äußerun-
gen als Einheit einer Persönlichkeit, ohne jedoch
nur einen Augenblick nachzulassen. Schon in dem
von 1914 geschaffenen und hier ausgestellten Werk
erscheint uns Permekes Persönlichkeit als uner-
schütterlich dastehend. Der damals in Belgien im-
pressionistischen Malerei drelit er entschieden den
Rücken zu. Von dem Augenblick an komponierte
er in trüben Harmonien stark expressive Land-
schaften. Jedoch erst in England, wo er sich in-
folge einer an der Front erlittenen Verwundung
kurze Zeit niederließ, erwirbt er sich diesen mäcli-
tigen, großartigen Stil, der in allen seinen künf-
tigen Werken hervortritt. In den nächsten zehn
Jahren, von 1920 bis heute, malt cr zuerst in Ost-
ende, später in Jabbeke, im Herzen der flämischen
Landebene, mit einer Art wilder Raserei. Immer
großartigere Schöpfungen folgen unaufhörlich.

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Zwei Ilauptthemen liegen diesem Riesenwerk zu-
grunde: zuerst das Meer, später die Erde. Die
Zyklen von Marinen und Landschaften sind wie
die beiden Flügel eines Triptychons, von dem das
Mittelbild eine mit den Elementen abwechselnd
in Frieden lebende oder in Strcit tobende mensch-
liche Figur darstellt. In dem in Ostende entstande-
nen Werk erscheint der Mensch als Fischer, je-
doch von jegliclier Übert.reibung frei, eine völlig
verallgemeinerte Figur, Symbol der unter einem la-
tent-verhängnisvollen Schicksal leidenden Mensch-
heit. In dem neueren Werk übernimmt der Land-
mann, der Bauer oder Säer diese Rolle. Unzäh-
lige Marinen umrahmen diese großartigen _Kom-
positionen, sie mit ihrer edelsten Substanz näh-
rend. Ein zugleich eigenwilliger und begeisterter,
nicht vor den vcrmessensten Deformationen zu-
rückschreckender Stil gibt diesen Figuren eine epi-
sche und übermenschliche Kraft, eine Bedeulung,
der keiner widerstehen kann. Ein warmes, des
öfteren in der trüben Skala gehaltenes, jedoch
mit Blitzstrahlen durchflammtes Ivolorit, eine
gründliche Kenntnis des Helldunkels, eine köst-
liche Malerei, alle diese hervorragenden Qualitäten
machen den großen Erfolg Permekes verständ-
lich.

Kurze Zeit vorher sah man ebenfalls im »Palais
des Beaux-Art.s« die Ausstellung des französischen
Bildhauers Gharles Despiau. Die Brustbilder dieses
Künstlers, meistens Porträts, haben die Mäßigung,
die Ruhe und Vollkommenheit des klassischen
Ideals beibehalten. Diese Kunst schließt sich, mil
bescheideneren Mitteln, der des großen Maillol an.

G. M.
 
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