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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 7
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0233

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Camille Pissarro

Ausgestellt im Orangerie-Museum, Paris

Jedocli sollen in Zukunft in diesem Raume die
älteren Künstler in länger ausgedehnten Ausstel-
lungen zu Worte kommen. Von den noch verblei-
benden vier Sälen haben drei die lebenden Maler
Ilannovers aufgenommen, im vierten fanden die
Bildhauer ihren Platz. St.

PARISER AUSSTELLUNG

Camille Pissarro im Orangerie-Museum
In der losen Gruppe der Impressionisten gewinnt
langsam aber sicher Camiüe Pissarro an Geltung.
Eben haben Claude Roger-Marx seinen Radierun-
gen und Charles Kunstler seinen Bildern, jeder ein
Büchlein (Nouvelle Revue Frangaise und Cres Verlag)
gewidmet. 1928 hatte Durand-Ruel eine große
Ausstellung veranstaltet, die für manche eine Ent-
deckung war. Und diesmal hat offiziell das Oran-
gerie-Museum, das schon Monets »Nympheas«
birgt, mit einer neuen Ausstellung den hundert-
stcn Geburtstag des igo3 verstorbenen Meisters ge-
feiert. Ungefähr i5o ölgemälde, 5o Tusch-, Was-
serfarben- und Pastellbilder, das ganze »Oeuvre«
des Radierers erlauben ein vollständiges Bild von
seiner Entwicklung zu gewinnen.

Die Frage, warum Pissarro so lange ein bißchen
im Schatten der fünf Großen: Manet, Monet, Re-
noir, Corot und Cezanne verschwunden ist, läßt
sich vielleicht am besten dadurch beantworten, daß
er kein Systematiker und kein Sucher war. Sei-
nen Freunden hat er ganz einfaeh öfters ilire Mal-
weise entlehnt, weil es ihm Spaß machte, als ge-

Ernte

Sammlung Eugene Blot

borener Maler, die Erfahrungen der anderen zu
verwerten. Deswegen hat man falscherweise den
Eindruck gewonnen, er sei ein Nachahmer. Sein
Gebiet, inr Grunde nicht so umfangreich wie das-
jenige der schon genannten, gehörte ihm doch
unbestreitbar. Seine Eigenheit liegt in seiner Hal-
tung der Natur gegenüber. Er blickt nach ihr mit
der Unbefangenheit, mit der »Bonhomie« des»Va-
ters« Corot, dessen Ratschläge er erhielt und nie
vergaß. Diese sc’höne Besonderheit behält er fort-
während, ob er gegen i863 dunkel malt, ob er
1871 mit Monet London entdeckt, ob er etlidhe-
nral Cezannes Einfluß annimmt, oder ob er sich
schließlich durch den Pointillismus der Jüngeren
verführen läßt. Trotzdem bleibt Pissarro der-
jenige, der mit seiner ganzen kristallklaren Seele
der einfachen Wirklichkeit anhängt. So vergißt er
nie, wie Manet, die Architektur einer Landschaft
zu betonen. Das Licht ist ihm nie das einzige und
letzte Ziel. Er ist ganz ohne Pose, ohne Über-
lrebung: »Sie werfen mir alle Millet an den Kopf,
sagte er. Doch war Millet biblisch. Als Hebräer
glaube ich, daß ich es wenig bin.«

Die persönlichsten seiner Schöpfungen sind, mei-
ner Ansicht nach, seine Pastell- und Tuschbilder.
AVas für eine Freude atmen sie nrit ihren lichten
Farben, mit ihren abgerundeten, vereinfachten
Maßen aus. Pissarro war dcr einzige, der mit Ge-
schick gar nicht stilisierte Bauernszenen auf Fä-
clier nralen konnte. Ist das nicht an sich schon ein
Programm? P. C.

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