Abb. 4. Schweiz, um 1460 Die fleißige Hausfrau
sichtsausdruck und Haltung der handelnden Personen sind lebenswahr, ohne drastische
Übertreibungen wiedergegeben. Das Ganze ist ein außerordentlich fesselndes Bild,
eine Ulustration des wirtschaftlich-sozialen Lebens aus der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts.
Die Trachten — um 1465 — stehen in gewissem Widerspruch mit den Baulichkeiten,
die augenscheinlich etwas später anzusetzen sind, die in der perspektivischen Darstel-
lung eine jüngere Hand verraten. Der Teppich ist meines Erachtens um 1475 ent-
standen. An der Provenienz — Tournai — besteht kein Zweifel. Die Durchbildung von
Architektur, Flora und Fauna — siehe den famos wiedergegebenen Pfau auf der Tor-
überdachung — ist erstklassig. Die Farbenstimmung wirkt eindringlich, aber nicht
bunt; über dem Ganzen liegt ein beruhigter, einheitlicher Ton. Dem dekorativen
Empfinden der ausgehenden Gotik entsprechend bleibt kein freier Fleck; der Raum
zwischen dem Schloßdach und den Baumkronen wird als hochgezogener Horizont be-
handelt und mit einer Stadtanlage und Schiffskörpern auf See ausgefüllt.
Der Brüsseler Wandteppich (Abb. 5, 2,80 m hoch, 1,85 m breit, Goldfäden, Wolle und
Seide), in der reizvollen, typischen Kasten-(Rosen-)Bordüre, bringt ein Motiv, das in
der Bildwirkerei Brabants sich im beginnenden 1 6. Jahrhundert besonderer Beliebtheit
erfreute: König Aliasver senkt gnadespendend das Zepter auf das Haupt seiner Ge-
mahlin Esther. Es handelt sich um eine Teppichgattung, die bereits in dem endenden
15. Säkulum —vgl. Salomo und die Kö.nigin von Saba in dem Behang des Grafen von
Hunolstein 1 — ihre ldare künstlerische Fassung erhält, die sich um 15°° i m Personen-
aufbau lockert, mit naturalistischen Episoden bereichert wird. Den Übergang bildet
der Salomo- und Saba-Teppich im Mailänder Museum Poldi Pezzoli und ein im Detail
1 H. Schmitz, Bildteppiche, Abb. 107, 108.
244
sichtsausdruck und Haltung der handelnden Personen sind lebenswahr, ohne drastische
Übertreibungen wiedergegeben. Das Ganze ist ein außerordentlich fesselndes Bild,
eine Ulustration des wirtschaftlich-sozialen Lebens aus der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts.
Die Trachten — um 1465 — stehen in gewissem Widerspruch mit den Baulichkeiten,
die augenscheinlich etwas später anzusetzen sind, die in der perspektivischen Darstel-
lung eine jüngere Hand verraten. Der Teppich ist meines Erachtens um 1475 ent-
standen. An der Provenienz — Tournai — besteht kein Zweifel. Die Durchbildung von
Architektur, Flora und Fauna — siehe den famos wiedergegebenen Pfau auf der Tor-
überdachung — ist erstklassig. Die Farbenstimmung wirkt eindringlich, aber nicht
bunt; über dem Ganzen liegt ein beruhigter, einheitlicher Ton. Dem dekorativen
Empfinden der ausgehenden Gotik entsprechend bleibt kein freier Fleck; der Raum
zwischen dem Schloßdach und den Baumkronen wird als hochgezogener Horizont be-
handelt und mit einer Stadtanlage und Schiffskörpern auf See ausgefüllt.
Der Brüsseler Wandteppich (Abb. 5, 2,80 m hoch, 1,85 m breit, Goldfäden, Wolle und
Seide), in der reizvollen, typischen Kasten-(Rosen-)Bordüre, bringt ein Motiv, das in
der Bildwirkerei Brabants sich im beginnenden 1 6. Jahrhundert besonderer Beliebtheit
erfreute: König Aliasver senkt gnadespendend das Zepter auf das Haupt seiner Ge-
mahlin Esther. Es handelt sich um eine Teppichgattung, die bereits in dem endenden
15. Säkulum —vgl. Salomo und die Kö.nigin von Saba in dem Behang des Grafen von
Hunolstein 1 — ihre ldare künstlerische Fassung erhält, die sich um 15°° i m Personen-
aufbau lockert, mit naturalistischen Episoden bereichert wird. Den Übergang bildet
der Salomo- und Saba-Teppich im Mailänder Museum Poldi Pezzoli und ein im Detail
1 H. Schmitz, Bildteppiche, Abb. 107, 108.
244