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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 9
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Schneid, Otto: Amédée Ozenfant, der Maler des Purismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0282

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Abb. 3. Amedee Ozenfant Komposition. 1925

hatte ihm als Augenmenschen nichts Positives zu sagen, sondern gab ihm im Gegen-
teil die Veranlassung, sich in Descartes, Pascal und Kant und in die mathematischen
Schriften von Henri Poincare zu vertiefen. »L’Elan«, den er in Paris während des
Krieges, 1915 —17 herausgab, spiegelt die Entstehung seiner Erkenntnisse in heißem
Ringen mit der Ideologie des Kubismus, über die er 1918 in Gemeinschaft mit Ch. Ed.
Jeanneret (Le Corbusier) zu dem Buche »Aprfes le Cubisme« gelangte; 1920 — 24
gaben beide »L’Esprit Nouveau« heraus und faßten den Kampf für die gemeinsamen
Ziele 1925 nochmals in dem Buche »La Peinture moderne« zusammen. Im vorigen
Jahre erschien Ozenfants »Art«, ein Buch, das in seinerFülle eine Revue, in der strengen
Durchführung seines geistigen Zwecks einem Ingenieurbau gleicht.

Vermag uns das künstlerische Werk Ozenfants zu erheben, uns das Gefühl einer
höheren Ordnung und Klarheit, einer reineren Harmonie der Dinge zu geben, so
suchen wir in seinen theoretischen Schriften weder die Bestätigung dieser unmittelbar
wirkenden Kraft, noch eine Deutung, deren sie niclit bedarf. Nur über die Gesinnung,
die für das Werk bestimmend gewesen ist, sollen sie uns Aufschluß geben.

Mit dem Ernst des Forschers, mit der Intuition des Künstlers erfaßt Amedee Ozenfant
als Grundproblem: die unabänderlichen Konstanten zu finden, die über Jahrtausende
und Erdteile hinweg auf die Sinne und die Seelen aller Menschen die gleiclien Wir-
kungen übten und notwendig immer üben müssen; dieses allem Ort- und Zeitgebun-
denen Übergeordnete der allgemein menschlichen Kunstsprache als Form und Farbe
zu gestalten und so jenseits aller Willkür zu einer idealen Gesetzmäßigkeit zu ge-
langen. Den empirischen Rohstoff für die Erkenntnis der Konstanten ergeben vielfache
psychologische Studien über die Wirkung der Formen und Farben und über ihre gegen-
seitigen Beziehungen.

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