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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 10
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Rundschau
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Herbig Mutter und Kind

Im Graphischen Kabinett (Günther Franfce), München

kultivierte Akkorde. Die musikalischen, Parkluft
atmenden Bilder von Ahlers-Hestermann, der Fen-
stcrblick von Laves, die Arbeit.en Partikels, eine
Mädchengruppe von Ulfert Wilke reihen sich den
Beiträgen Grossmanns, Strübes, Peiffer-Waten-
puhls, Scliüleins in Bewährung gemeinsamen Ran-
ges an. Besondere Herausstellung könnte Altherrs
herbes Wilhelm-Schäfer-Bildnis beanspruchen,

Paul Wilhelms diistere, uferklar konturierte Elb-
landschaft, Wiethüchters vehemente Silhouette
eines Pfluggespanns, das tonsanfte Pferde-Madri-
gal von Heinrich Schwarz. Mindestens die zarten
Sportbilder Stocks habe ich noch zu nennen, die
im Satz kühnen klcinen Landschaften Strübes, die
Arbeiten von Kaus, Stübner, Jonas, Strassner. Es
bleibt eine ganz unvollständige Aufzählung des Er-
freulichen. Wieviel schwächer es aucli um die Pla-
stik bestellt ist, sie hat mindestens das »Singende
Mädchen« der Steger, die kleinen Kinderbronzen
von Gyula Geiger vorzuschicken. Selir interessant
die spitzig als Basreliefs eingeschnittenen Porträt-
plaketten von Gies. Ein solcher Yorrat ausgezeich-
neter Arbeiten hätte zu ganz andererGesamtwirkung
gebracht wei'den müssen.

Mehrere junge pariser, meist nichtfranzösische
Maler vereinigt eine dort von Mme. Zak zusam-
mengestellte und hier im Salon Clara Landau

gezeigte Folge, in der man dem Deutschen
Dietz Edzard, dem Schweizer Theophile
Bosshard, dem Polen Kramstyk, dem Fran-
zosen Boyer wiederbegegnet und neu vor
allcm Ai-on Dejez aus Palästina und den
Russen Marc Sterling kennenlernt. Dejez
malt in gemütvoll-naiver Darstellungsart
volkstümliche kleine Szenen; aus Dernut und
bunterLaune werden kuriose Liedchen. Ster-
ling malt Dinge, transformiert sie etwa im
Sinne eines Braque, räuchert sie rötlich auf
ungemein reizvolle, russische Biedermeier-
Erinnerungen mitschwingen lassende Weise
an. Außerdem sieht man zum erstenmal eine
Anzalil der markanten Stilleben des Spaniers
de la Serna beisammen. Ein anspruclxsloses,
abei' unsere Vorstellung von europäischer Ma-
lerei dankenswert ergänzendes Gastspiel.
ln der Galerie Ferdinand Möller die
slillen, kargenBildmelodienü tto Muellers,
zu denen sich heute nicht viel anders als
vor zwanzig Jahren die geheimnisvoll ein-
fachen, eckigen Umrisse von Figur und Ge-
lände, begleitet von zarter und lakonischer
l'lächenfarbe, zusammenneigen und sclilie-
ßen. Es sind aus den zwei Dezennicn manclie
kaum noch gesehene Werke beigebracht, die
zu dcn glücklichsten, beschwingtesten Aus-
prägungen seiner verhallenen Art gezählt
werden dürfen. Sie ist liier oft gezeigt und oft
in ihrer Schönheit gewürdigt worden, so daß
es jetzt mit dem bloßen Hinweis auf eine
gerade auch durch Aquarelle und Zeich-
nungen bereicherte Vorfiilirung sein Bewenden
liaben kann.

Dem sechzigjährigen Hans Baluschek hat der
Ver ein B er 1 in er Künstler eine umfassende
Veranschaulichung seines Lebenswerkes ermög-
licht, nicht zuletzt wolil in der Absicht, eine Revi-
sion der vermeintlich ungerechten Beurteilung
dieses Malers durch den entscheidenden Teil der
Öffentlichkeit nahezulegen. Ein heute wieder mehr
zur Geltung gelangter stofflicher Gesichtspunkt
könnte der Scbilderlust des sozialen Chronisten ge-
wiß ihre Verdienste zuerkennen, hätte sie sicli nur
nicht so ganz jener Feinheiten des von Skarbina
ererbten Interieurtones begeben, die seine Anfänge
zeigen und von denen seine Pastelle noch um 1906
wissen. Aller Sinn aber für die lebendige Bildin-
halte Baluscheks, der mit kräftigem lokalem Ein-
schlag Leiden und Freuden des proletarischen und
kleinbürgeilichen Daseins illusti-iert und außerdem
besonders eifrig Eisenbahnthemen behandelt hat,
kann über die künstlerische Rohheit seines mit
billigen Lichteffekten (glühende Zigarren, Later-
nen, Lampions gehen ihm nie aus) und Chargen-
wirkungen überhäuften aufdringlichen Genres
nicht wegsehen. Weder das malerische noch das
zeichnerische Medium ist je zum Eigenausdruck
gebracht, und seinem trockenen, aber drastischen

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