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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 11
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0343

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RUNDSCHAU

DEUTSCHE KUNST IN MOSKAU
Ein Spiel de's Zufalls hat in den ersten Maitagen
eine richtige »Woche deutscher Kunst« in Moskau
geschaffen. Plakate an allen Straßenecken luden
in das »Museum der Schönen Künste« zur Eröff-
nung der Schau von Werken deutscher Maler des
17. bis 19. Jahrhunderts, und ein paar Tage frü-
her fand im »Museum Moderner Kunst« die In-
auguration einer Ausstellung deutscher Gebrauchs-
graphik statt. Gleichzeitig hielt einer der jünge-
ren Meister des neuen Bauens in Deutschland, der
Architekt Ernst May aus Frankfurt a. M., hier
einige Yorträge über die aus der neuzeitlichen
Bautechnik und ihrer Rationalisierung resultieren-
den neuen Bauformen, welche vorwiegend durch
die breit angelegten Siedlungsbauten der Heimaf-
stadt des Lektors in Lichtbildern illustriert wur-
den. Dazu kamen noch dic deutschen Theatervor-
stellungen der Berliner »Truppe junger Schau-
spieler«, die seit Ende April in Moskau »Cyankali«
und die Lampelsche »Revolte im Erziehungsheim«
spielten; wenn schliedßlich erwähnt wird, daß auf
einer russischen Bühne »Kabale und Liebe« zur
selben Zeit volle Häuser machte, so runden sich all
diese Demonstrationen alter und neuester deut-
scher Kunst in der Sowjethauptstadt zu einemviel-
seitigen Ganzen ab. —

Die Spezialschau deutscher Meister nicht allzu
ferner Vergangenheit gab zum erstenmal ein
geschlossenes Bild alles dessen, was das »Mu-
seum der Schönen Künste« in dieser Richtung
an Gemälden besitzt. Zu dem bereits bekann-
ten Bestande der einstigen Gemäldegalerie des
Rumjantzoff-Museums sind nunmehr all die
Bereicherungen und neuen Zuweisungen aus
den Revolutionsjahren hinzugekommen; einige
wenige Exponate sind für die Ausstellung auch
aus anderen Quellen entlielien worden. Quan-
titativ eine recht ansehnliche Sammlung von
ca. 120 Nummern, der es aber an Schlagern
fehlt und die dem Kunstverständnis der ein-
stigen russischen Sammler auf diesem Gebiete
kein allzu günstiges Zeugnis ausstellt. —

Den Gang der Bewegung charakterisieren vor-
erst einige kleine mythologische Kompositio-
nen Elsheimers, Rottenhammers und
dessen Schülers, des Miniaturisten Joh. Kö-
nig, weiterhin Joh. Platzer mit zwei Kup-
fertafeln, die Irotz ihrer großen Ausmaße
den Eindruck von Emailminiaturen machen,
Balth. Denner und Dietrich mit einigen
Schlachtenhildern, dem sichdann A. A d a m mit
gleichen Themen anschließt. Abseits als rein
malerische Erscheinung steht Maulpertsch
mit einer famosen kleinen Judith-Skizze. Die
Linie des anekdotenhaften Genrebilds beginnt
mit G.-M. K r a u s und geht über R o m b e r g ,
einen ganz schwachen Waldmüller, dann

weiter zu Meyerheim, Ivnaus, Yautier,
Defregger, Kindler u.a., um schließlicli un-
verhofft in der Fermate des prickelnden »Luxem-
bourg-Gartens« (1878) Ad. Menzels anzuklin-
gen. —

Die vielen Landschaftsbilder, beginnend mit J.-II.
Roos und Ph. Hackert, haben in ihrer Mehr-
zalil dem heutigen Beschauer wenig zu sagen, doch
sind die aparte »Hügellandschaft« K. D. Fried-
richs, ein farbenschöner Gebirgssee des fast un-
bekannten Ernst Kaiser, ein f einer P e 11 e n -
k o f e n und zwei effektvoll-festliche Gemälde 0 s -
wald Achenbachs hervorzuheben. ■—

Daß Bildnisse, besonders russische, in der Sarnrn-
lung einen weiten Platz einnehmen, war vorauszu-
sehen, und in der Tat sind sie hier reichlich ver-
treten. Den Reigen der deutschen Künstler, die in
Rußland tätig warcn, eröffnet J. G. Tannauer
mit einem 1719 in Petersburg gemaltem Porträt;
ihm folgen J.-B. Lampi, dessen Aufenthat inder
Newahauptstadt im letzten Jahrzehnt des 18. Jahr-
hunderts auf die russische Porträtmalerei von star-
kem Einfluß war, zwei weitere Österreicher L.
Guttenbrunn mit einem miniaturenhaften
Sclbstbildnis, sowie der Tscheche M. F. Quadal,
von dcm die Tretjakeff-Galerie auch ein großes

Ausstellungslokal für Automobile, Rue Marbouef,
Paris 1929 Phot. S. Giedion

Zu dem Beitrag: »Architekt und Konstruktion«

24 Der Cicerone, Jahrg. XXII, Heft 11

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