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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 12
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Junius, Wilhelm: Friedrich der Grossmütige in der Gefangenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0361

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Da es aus den angezogenen Aktenvermerken nicht ersichtlich ist, ob es sich bei dem
Gothaer Bild um das 1572 erwähnte Gemälde »dorinnen der Kurfürst zu Sachsen Herzog
Johann Friedrich der Ältere mit einem Spanier das Schachspiel zeucht« oder um die
1 567 erwähnte Tafel »der alte Kurfürst Herzog Johann Friedrich und der Hauptmann
so seine kurfürstl’.chen Gnaden verwahrt« handelt, so kann man unter Umständen
beide Inventarvermerke auf ein und dasselbe Bild beziehen, wohingegen eine Personen-
einheit des anonymen Malers von Löwen und des Malers zu Brüssel unwahrscheinlich ist.
Meines Erachtens ist der anonyme Maler von Löwen der Meister des Gothaer Bildes,
das der flämischen unter französischem Einfluß stehenden Bildniskunst der Niederlande
zwischen 1 547—49 zuzurechnen ist 1. Das Gothaer Bild des schachspielenden Kurfürsten
gehört neben Tizians wohl in Augsburg gemaltem Bildnis Johann Friedrichs (Wien,
Staatl. Gemäldegalerie, Nr. 191) zu den besten Porträts des letzten ernestinischen Kur-
fürsten. Auf die Yerbindung des Gefangenen mit niederländischen Künstlern 2 läßt auch
die Tatsache schließen, daß im Jahre 1572 der Lehrer Jan Brueghel d. Ä., Peter Guet-
kindt Maler zu Antorff (Antwerpen), von Antwerpen über Leipzig nach Weimar 17 Ge-
mälde an Herzog Johann Wilhelm schickt:

»12 Kaiser zu 5 thaler, 5 große stuck von oelfarb zu 10 thaler

thutt 50 thaler

der von Egmondt und sein gemahl mit 11 kindern
der könig von Franckreich mit seinem gemahl.«

Näheres über den anonymen Meister von Löwen oder über den Maler zu Brüssel hat
sich bisher aus den Urkunden nicht feststellen lassen, und auch die hervorragenden
Kenner der niederländischen Kunst, Max J. Friedländer, Friedrich Winkler und Hulin
de Loo-Gent können stilkritisch mit dem Bilde nicht viel anfangen. Es ist, wie so viele
Porträts der Zeit, anonym und wird voraussichtlich auch unbestimmbar bleiben. Der
einzige in Betracht kommende Löwener MalerH. van deHeyden hat keine beglaubigten
Werke hinterlassen. Daß man Löwen auch als Lyon lesen könnte, erscheint gänzlich
ausgeschlossen, obwohl ein gewisser französischer Einschlag im Stilcharakter der
Gothaer »Schachspieler« unverkennbar ist. Francois Clouet, die Dumonstiers und der

tischen Porträt des
Kurfürsten in derGe-

Holländer Corneille
de Lyon oder de la
Hayedürfen in diesem
Zusammenhang als
wahlverwandte Bild-
nismaler dieser Zeit
erwähnt werden.

Das hekannte Ge-
mälde von Theobald
Reinhold von Oer:
»Lukas Cranach be-
sucht Johann Fried-
rich den Großmüti-

gen,

Kurfürsten von

Sachsen in der Ver-
bannung«, welches
wohl unter Anleh-
nung an das Gothaer
Bild entstanden ist,
muß allerdings gegen-
über einem autlien-

Theobald Reinhold von Oer
Cranach besucbt Johann Friedrich v. Sachsen
in der Gefangenschaft

fangenschaft als we-
nig erfreuliche thea-
tralische Historien-
malerei verblassen.

1 Es erinnert an die Art
des Joos van Cleve d. J.,
könnte aber auch von
Antonis Morgemalt sein,
der 1547 Meister in Ant-
werpen war. Jedenfalls
ist der Zusammenhang
mit der Porträtkunst des
Quinten Massys und sei-
ner Zeitgenossen deut-
lich genug.

2 Nach Nagler (Mono-
grammisten Bd. III, Nr.
1202) war auch der Go-
thaer Hofmaler Johann
Lange Schüler des Ant-
werpener Frans Floris.

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