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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 12
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0368

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RUNDSCHAU

DIE ERGEBNISSE DER DEUTSCHEN KTESI-
TITON - EXPEDITION IM KAISER - FRIED-
IIICH-MUSEUM

Von April bis Juni zeigt die Islamische Abteilung
im Kaiser-Friedrich-Museum eine Ausstellung der
ersten Ergebnisse der Deutschen Ktesiphon-Expe-
dition, die im Winter 1928/29 von den Herren
Reuther, Kühnel, Wachtsmulh und Baclnnann im
Auftrag der Notgemeinschaft der Deutschen Wis-
senschafl und der Deutschen Orient-Gesellschaf t mit
vielversprechendem Erfolg unternommen wurde.
Übersichtliche Pläne und Photographien machen
uns mit dem Grabungsgelände bekannt, das sich
im Umkreis des unter dem Namen Taq Kisra be-
kannten Königspalastes, an der ehemaligen Stadt-
mauer des Alten Ktesiphon und im Innern der Stadt
befindet, wo eine sasanidische christliche Kirche
freigclegt wurde, die die schon bekannlen Anlagen
dieser Art um ein wesentliches Monument berei-
chert. Die sasanidischen Stuckdekorationen, die im
Königspalast und in seiner weiteren Umgebung ge-
funden wurden, bieten mit dem aus einem ausge-
grabenen islamischen Hause stammenden Wand-
schmuck eine lehrreiche Schau der ornamentalen
Stilprobleme, die sich für die aufslrebcnden Kul-
turen einer neuen Welt im Anschluß an die Anre-
gungen der hellenistisch-orientalischen Zivilisation
ergaben. Ebenso gibt die in der genannten Kirche
des alten Ktesiphon gefundene, leider kopflose Fi-
gur eines ITeiligen in Hochrelief, die wahrschein-
lich einst den Altar schmückte, einen Beitrag zur
Erklärung der bildkünstlerischen Orientierung der
neuen morgenländischen und abendländischen Kul-
turen.

Die sehr reichhaltige Auslcse von Kleinfunden an
Keramik, Glas, Münzen, Kleinplastik usw. auspar-
thischer und sasanidischer Zeit, sind ebenfalls ge-
eignet, diesen Fragen neuen wertvollen Stoff zu-
zuführen. Die noch immer isolierte Stellung von
Mschatta und Samarra dürfte durch dieses Unter-
nehmen der Deutschen Ivtesiphon-Expedition am
ersten der lang erwiinschten Klärung der vielen
formalen Probleme entgegengeführt werden. IT. S.

FRÜHJAHRS-AUSSTELLUNGEN IN
AMSTERDAM

Alljährlich im Frühjahr gewährt das Städtische
Museum in Amsterdam nacheinander drei Kiinst-
lervereinen Gastfreiheit, von denen aber nur einer,
der »FIollandscheKunstenaarskring« eine
bestimmte Gruppe Gleichstrebender in sich ver-
einigt. Die bedeutendste Figur aus diesem Kreise
bleibt Jan Sluyters, der, sehr wandlungsfähig
und auf allen Sätteln gerecht, ein sehr tempera-
mentvoller Kolorist von großer Ausdruckskraft
und höchster Verfeinerung ist: seine nackte Nege-
rin mit rotem Hut in gelbem Sessel war farblich
eine hervorragende Leislung.

Interessante Erscheinungen sind auch die etwas
romantisch gestimmten Else Berg, Wim
Schuhmacher, S. L. Scli warz und Pi e I van
Wyngaerdt.

Von den Jüngeren wohnen verschiedene in Paris
oder holen sich dort Motive und Anregungen; bei
den Malern der Pariser Straßenbilder, wie Ger-
m a i n d c J o n g, C h a r 1 e s E y c k und J o s.
Croin wirkt vielleicht Utrillo nach.

Adriaan Lubbers hält in verschiedenenGemäl-
den und Lilhographien die überwältigenden Ein-
drücke eines New Yorker Aufenthaltes fest. Bei
ihm merkt man etwas von der Lust an der »Neuen
Sachlichkeit«. Stärker äußcrt sich dieser Einfluß
bei Ilarmen Meurs, der aber schon ans Kari-
katurenhafte streift.

Sluyters begegnet man auch in den andern
Frühjahrsausstellungen, z. B. bei Sint-Lucas,
das sein 4ojähriges Bestehen auch mit zahlrei-
chen älteren Bildern feiert. Von dcr Jury wurde
mit dem Lucas-Preis ein Herrenbildnis von Frau
W estendorp-Osieck von 1908 ausgezeichnet,
ein solid gemaltes Werk, aber auch nicht mehr.
Die Mehrheit der iibrigen Gemälde entsprach dem-
selben Geschmack, näherte sicli aber in manchen
Äußerungen dem wirklichen Kitsch. Daß das Pu-
blikum weiß, wie man heute malen muß, bewies
das Urteil der Besucher, die für einen sehr tüchti-
gcnweiblichenAkt vonWouter Scliram stinun-
ten, einem der begabtesten Vertreter der Neuen
Sachlichkeit.

Der dritte Verein, der zuletzt im Städtischen Mu-
seum ausgestellt hat, waren die »Unabhängi-
gen«, bei denen keine Jury hemmend wirkt und
die daher ungehindert.. zum Teil den größten
Scliund zeigen dürfen. Die Führenden unter den
Unabhängigen bringen den neuen und neuesten
Richtungen das größte Interesse entgegen, aller-
dings weniger in der eigenen Praxis als in der
Theorie.

Man hatte diesmal dem weiblichen Akt (warum
malt niemand männliche Akte) ein besonderes Ka-
binett eingeräumt, in dem sich einige Hauptvertre-
ter der wirklich »Unabhängigen« ein Rendez-vous
gegeben hatten: Ilarmen Meurs, der Vorsit-
zende, Ykelenstam, Ilarry Kuyten, Otto
II a n r a t h , K e e s Heynsius, G. J. M a k s und
Jan Sluyters. Auch hier zeigte sich wieder die
zweifellose Superiorität des letzteren, aber daneben
machten doch besonders der robuste Akt einer rus-
sischen reifen Frau von Flanrath und die junge
Frau von Ykelenstam eine gute Figur. Eine
persönliche Note brachte auch die Zeichnung einer
schlanken mädchenhaften Gestalt von H e y n s i u s,
dessen Spezialität sonst meistens wild sich gebär-
dende junge Pferde sind.

Den weiblichen Akt in einer Komposition zu ver-
wenden, hat nur J. van Mastenbroek in einer

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