Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0376

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
werden. Und doeh wird man vor einem Perga-
mentblättchen, wie etwa der »Kreuzigung im Stil
des Jean Pucell« alles zu leicht befinden müssen,
was sich mit großen Namen, wie Tizian, Tintoretto,
Murillo, Goya an den hohen Saalwänden die Ehre
gibt. Jatho

KÖNIGSBERG

In den Kunstsanmilungen der Stadt Königsberg
wurde Ende Mai die Sommerausstellung »Ostpreu-
ßische Schlösser und ITerrensitze« eröffnet. Mit
der Auswahl von Gemälden, Aquarellen, Zeich-
nungen und Drucken des 17. bis 19. Jahrhundcrts
vermittelt sie eine klare Einsicht in die Feudal-
architektur des preußischen Ostens, wie sie sich
vor allcm in ihrer bedeutsamsten Epoche zu Be-
ginn des 18. Jahrhunderts manifestiert hat. Das
zum größten Teil aus Adelsarchiven zusanmien-
gebracht.e Material zeigt deutlich, daß die Archi-
tckturschöpfungen Dokumente des am preußischen
ITof entwickelten Stiles sind: Die Entwürfe des
Berliner Architekten Jean de Bodt für Schloß
Friedrichstein und wahrscheinlich auch für Sclilo-
dien und Quittainen. Yon Schultheiß von Unfried,
dem in Ostpreußen maßgebendsten Architekten, lie-
gen dic Entwürfe zu dem geplanten großen Um-
bau des Königsberger Schlosses in guten Kopien
des frühen 1 g. Jahrhunderts vor. Die Tätigkeitdes
Caspar Hindersin wird mit einigcn Entwürfen für
die Dohnaschen Schlösser Schlobitten und Moh-
rungen erläutert. Als Schöpfungen späterer Zeit
sind das um i85o im englischen Tudorstil er-
baute, an Schloß Babclsberg bei Potsdam erin-
nernde Schloß Bclschwitz und das um i865 ent-
standene Schloß Beynuhnen, ein später Nachklang
des Schinkelschen Klassizismus, hervorzuheben.

MANNTIEIM

Ivühn

Am i.Juni wurde eine Ausstellung des Schloß-
museums eröffnet. Sie betitelt sich: »Innen-
räume deutscher Schlösser vom Barock
bis zum Empire« und gibt in über 120 Gemäl-
dcn, die von namhaften Künstlern, aus Privat-
besitz und aus Museen zur Yerfügung gestellt wur-
den, einen abwechslungsreichen Übcrblick der hö-
fischen Raumkunst dcs 18. Jahrbunderts. K.

PRAG

Die Galerie Andre veranstaltet in ihren neueröff-
neten Galerieräumen regelmäßige Ausstellungen,
die besonders der deutschen Kunst des Landes, die
solcher intimer Ausstellungsmögliclikeiten drin-
gend bedarf, zugute kommen können. Die Ausstel-
lung neuer Arbeiten von Charlotte Radnitz, Prag
(Prager Sezession), zeigte die große Begabung die-
ser jungen Künstlerin nun auch am Porträt, das
im deutschen Prag erst aus der Gesellschaftsallure
gelöst werden muß. Die geistvoll lockere Technik
unterhaut eine Komposition, die sich nun immer
sicherer zum »Bild« zusammenstelll. — Die der-

zeitige Ausstellung bei Andre, wieder von der Pra-
ger Sezession veranstaltet, zeigt Arbeiten Willy
Novaks, der seit kurzem an der Prager Akademie
als deutscher Professor wirkt. Diese neuen Bilder
des in Berlin wohlbekannten Künstlers erfüllen
mit tiefster Freude. Ein zarter Lyrismus, der sich
an französischem Impressionismus kultivierte, wird
durch die Schulung an modernen Kompositions-
problemen in eine schöne meisterliche Sicherheit
hinaufgehohen. Ein klarer Bau liält die zarten
Töne überall zu gefüllter Figur zusammen. Ein
Überpersönliches ist, gewonnen, an dem sich eine
j unge Generation vertrauensvoll heranhilden kann.

O.S.

JULES PASGIN f

Der bulgarische Maler Pascin, eine der internatio-
nal bekanntesten Erscheinungen der modernen
Kunst, hat Anfang Juni in Paris seinem Leben
freiwillig ein Ende bereitet und ist inzwischen von
seinen Freunden auf Montparnasse zur letzten
Buhe geleitet. worden. Pascin ließ sich während des
Krieges in Amerika naturalisieren, kehrte aber vor
etwa zehn Jahren von dort nach seiner eigentlichen
Wahl-FIeimat Paris zurück, wo er in den Ivreisen
auf Montparnasse eine gern gesehene und hocli-
geschätzte Persönlichkeit war. Der »Simplicissimus«
hatte ihn vor Jahr und Tag zuerst bekannt ge-
macht, und man möchte sagen, daß noch bis zu
seinem letzten Tage das wirkliche Talent dieses
Künstlers immer dem Illustrativen verhaftet ge-
wesen ist, so sehr auch seine Gemälde malerisch
überzeugen mögen. Es wird not.wendig sein, ein-
mal das ganze nocli erreichbare Werk des Kiinst-
lers in eincr Nachlaßausstellung zu vereinigen, die
crst ein abschließendes Urteil gestatten wird. B.

VITTORIO PICA f

Am 1. Mai verschiecl in Mailand der Kunstkritiker
Vittorio Pica im 66. Lebensjahr. Geborcn in Nea-
pel, studierte er Jus, verlegte sich aber bald auf die
literarische Kritik und ging nach Paris, wo er im
Kreisc der Gebriider Goncourt., Zola, Daudet ver-
kehrte. Pica begann über diese Dichter zu schrei-
ben. Nach Neapel zurückgekehrt, organisierte er
mit dem Maler Morelli eine Kunstausstellung, und
seit jener Zeit beschäftigte er sich ausschließlich
mit der modernen Kunstkritik. igo4 begann er
seine drei Bände »Attraverso gli Albi e le Castelle«
herauszugeben, in denen er ausführlich über die
internationale Radierung schrieb. 1908 veröffent-
lichte er ein Werk über die französischen Impres-
sionisten, später einen dicken Band, der Giuseppc
de Nittis behandelte. 1910 gelingl ihm die auslän-
dische Kunstschau an der großen internationalen
Ausstellung in Rom ; später wurde er Generalsekre-
tär der Riennale in Venedig; diese Stelle gab er
1927 auf. Sein großes Verdienst besteht darin, daß
er sämtliche Kunstrichtungen des Auslandes in sei-
nem Bande vorgefiihrt hat und auch für die ex-
tremstenRichtungen klaresVerständnisbesaß. L.Br.

546
 
Annotationen