Es ist wahrscheinlich, daß auch sie
eines Tages wieder auftauchen
wird.
Bei Erscheinen ineines Aufsatzes
teilte mir Ernst Buchner eine Dar-
stellung des Tempelgangs Mariae
im Museum von Krakau (Abb. 1)
als zugehöriges Stück mit. Es ist
das ungewöhnlichste Bild der Reihe
und eine der sonderlichsten Dar-
stellungen des Themas in der deut-
schen spätgotischen Malerei. Es
kommt hier schon erwünscht, daß
Maße und Inhalt den Zusammen-
hang klarlegen. Dazu erhärten
technische Details die Zugehörig-
keit zur Innenansiclit. Die Bilder
der oberen Zeile aus dem mario-
logischen Zyklus haben nämlich
punzierte Ränder als Bildabschluß.
Dem Gold ist bei diesem Tempel-
gang sehr wenig Raum gelassen.
Die Kirche nimmt soviel Platz eirp
daß man füglich von einer Archi-
tekturdarstellung sprechen kann.
Esist ein spätgotischer, zweistöcki-
ger Bau, mit zierlichem Bildhauer-
,,, .. . . ,,, . rr, , werk zu reicherWirkung gebracht,
Abb. l. Koerbecke Mariae lempelgang . öo
Museum Krakau Auf emer großen, abgewmkelten
Freitreppe steigt die mädchenhafte
Maria zum Altar (aus schön vergoldeten Schnitzfiguren) empor, wo sie ein Priester in
bischöflichemürnat erwartet. Es muß auffallen, wie kleinfür diese Stufe der Stilentwick-
lung die Gestalt der Maria, die doch Hauptfigur ist, gehalten wird. Drinnen im Schiff ist
eine Schar junger Mädchen beschaulichen Beschäftigungen hingegehen. Unten an der
Treppe warten Joachim und Anna, die beiden Eltern. DieTafel ist reich gefüllt bis zum
Rande. DasFormat der Hauptfiguren kontrastiert auffallend zu dem sonst auf denlnnen-
seiten angesetzten. Gerade deshalb bildet der'Fempelgang die schönste stilistische Yer-
bindung zwischen den Außen- und den Innenansichten. Die Typen von Joachim und
Anna — holie, schmale Figuren (sie knieen), mit langen Händen und in lebhaft sich falten-
den Gewändern — sind genau so wiederholt auf den Werktagsseiten wiederzufinden.
Es ist ein großer Sprung von diesem zierliclien und etwas kleinlichen, in der Anlage
so recht spätgotisch verstückelten Tempelgang zur Himmelfahrt Mariae (Farbtafel),
die aus westfälischem Besitz durch Vermittlung der Firma Böhler in München in die
Sammlung Scldoß Rohoncz gelangte. Größeres, Reicheres, Festlicheres ist Koerbecke
nie und der niederdeutschen Malerei nur selten gelungen. Das ist bestmögliche Qualität
der deutschen Malerei in den kritischen Jahren um 1460. Ein Werk anf der Höhe
jeder anderen zeitgenössischen Leistung. Es ist also schou verständlich, daß man sich
fragt, ob dies noch derselbe Mann sein könne, der die soviel provinzieller anmutenden
Tafeln in Münster schuf. Er ist es, olme jeden Zweifel. Es ist der Meister, der auch
die Verkündigung der Sammlung Ryerson in Chicago, die Gehurt der ehemaligen Samm-
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eines Tages wieder auftauchen
wird.
Bei Erscheinen ineines Aufsatzes
teilte mir Ernst Buchner eine Dar-
stellung des Tempelgangs Mariae
im Museum von Krakau (Abb. 1)
als zugehöriges Stück mit. Es ist
das ungewöhnlichste Bild der Reihe
und eine der sonderlichsten Dar-
stellungen des Themas in der deut-
schen spätgotischen Malerei. Es
kommt hier schon erwünscht, daß
Maße und Inhalt den Zusammen-
hang klarlegen. Dazu erhärten
technische Details die Zugehörig-
keit zur Innenansiclit. Die Bilder
der oberen Zeile aus dem mario-
logischen Zyklus haben nämlich
punzierte Ränder als Bildabschluß.
Dem Gold ist bei diesem Tempel-
gang sehr wenig Raum gelassen.
Die Kirche nimmt soviel Platz eirp
daß man füglich von einer Archi-
tekturdarstellung sprechen kann.
Esist ein spätgotischer, zweistöcki-
ger Bau, mit zierlichem Bildhauer-
,,, .. . . ,,, . rr, , werk zu reicherWirkung gebracht,
Abb. l. Koerbecke Mariae lempelgang . öo
Museum Krakau Auf emer großen, abgewmkelten
Freitreppe steigt die mädchenhafte
Maria zum Altar (aus schön vergoldeten Schnitzfiguren) empor, wo sie ein Priester in
bischöflichemürnat erwartet. Es muß auffallen, wie kleinfür diese Stufe der Stilentwick-
lung die Gestalt der Maria, die doch Hauptfigur ist, gehalten wird. Drinnen im Schiff ist
eine Schar junger Mädchen beschaulichen Beschäftigungen hingegehen. Unten an der
Treppe warten Joachim und Anna, die beiden Eltern. DieTafel ist reich gefüllt bis zum
Rande. DasFormat der Hauptfiguren kontrastiert auffallend zu dem sonst auf denlnnen-
seiten angesetzten. Gerade deshalb bildet der'Fempelgang die schönste stilistische Yer-
bindung zwischen den Außen- und den Innenansichten. Die Typen von Joachim und
Anna — holie, schmale Figuren (sie knieen), mit langen Händen und in lebhaft sich falten-
den Gewändern — sind genau so wiederholt auf den Werktagsseiten wiederzufinden.
Es ist ein großer Sprung von diesem zierliclien und etwas kleinlichen, in der Anlage
so recht spätgotisch verstückelten Tempelgang zur Himmelfahrt Mariae (Farbtafel),
die aus westfälischem Besitz durch Vermittlung der Firma Böhler in München in die
Sammlung Scldoß Rohoncz gelangte. Größeres, Reicheres, Festlicheres ist Koerbecke
nie und der niederdeutschen Malerei nur selten gelungen. Das ist bestmögliche Qualität
der deutschen Malerei in den kritischen Jahren um 1460. Ein Werk anf der Höhe
jeder anderen zeitgenössischen Leistung. Es ist also schou verständlich, daß man sich
fragt, ob dies noch derselbe Mann sein könne, der die soviel provinzieller anmutenden
Tafeln in Münster schuf. Er ist es, olme jeden Zweifel. Es ist der Meister, der auch
die Verkündigung der Sammlung Ryerson in Chicago, die Gehurt der ehemaligen Samm-
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