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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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[Heft 13/14]
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Hugelshofer, Walter: Koerbecke und der Marienfelder Altar von 1457: ein Beitrag zur westfälischen Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0407

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Innenseiten, mehr noch mit
der vorausgehenden westfäli-
schen Malerei, wie sie durch
die Nachfolge des Konrad von
Soest und des Meisters der Gol-
denen Tafel vertreten wird,
einen entscheidenden Schritt
zum Erdhaften, logisch Kon-
trollierbaren, » N atürlichen «
und »Richtigen« bedeuten. Mit
der idealen und abstrakten
»Schönheit« der älteren Rich-
tung ist — unter der unver-
kennbaren Einwirkung der nie-
derländischen Malerei — deut-
lich gebrochen. Es herrscht
nun eine neue Freude am Ge-
genständlichen,ammalerischen
Effekt der verschiedenen Ma-
terialien, dem Glanz der Rü-
stungen und Waffen, derPracht
der Stoffe, dann am Gedränge
der Menschen, an ihren kom-
plizierten Bewegungen und
Gesten. Die Schergen sind nun
hagere, bäuerische Bösewichter
mit scharf gezeichneten Cha-
rakterköpfen. Es gehört auch
dahin, daß Schlagschatten sorg-
sam beachtet, ja gesucht und
zur Erreichung größerer kör-
perlicher Glaubhaftigkeit ver-
wertet werden. Die Szene wird nun nach Möglichkeit und mit Entschiedenheit in eine
niclit mehr nur kulissenhaft angedeutete Landschaft gestellt und bei der Darstellung des
Laubwerkes wagt sich — in völligem Gegensatz zum getragenen Stil der Innenseiten —
ein schüchterner Impressionismus hervor. Es ist, etwas verspätet, die Stilstufe desKonrad
Witz, des Multscher, des Meisters von Polling und der anderen wagemutigen Vertreter
der nach neuen Zielen aufbrechenden Generation vor der Jahrhundertmitte.

Alle diese Beobachtungen, die sich ja nocli erweitern ließen, können auch an der
Kreuzigung (Abb. 4) gemacht werden, die letztes Jahr aus Klosterbesitz auf der ver-
dienstlichen Ausstellung aus Privatbesitz, die das Suermondt-Museum in Aachen ver-
anstaltete, bekannt wurde. Sie ist im Katalog unter Nr. 58 als »Niederrheinisch
(Aachen?) um 1460« beschrieben. Die Last einer altüberlieferten kanonischen Tradition
hinderte, bei diesem Thema nocli stärkere Bewegung, »persönlicheren« Ausdruck und
freiere Gestaltung anzubringen. Es ist bezeichnend, daß das Neue in den Nebenfiguren
und in der Landschaft sich stärker ausspricht, als in den trageuden Gestalten. — Es
wäre vielleicht gerade angesichts dieser Kreuzigung mit den starken Faltengraten, den
blickführenden Lichtlinien und jähen wellenförmigen Knicken die Frage aufzuwerfen,
wieweit die Plastik — etwa von der Art des in mancher Beziehung verwandten bur-
gundischen Altars in der Dortmunder Reinoldikirche um 1450 — für den eigen-

Abb. 4. Koerbecke Kreuzigung

Ordensbesitz

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