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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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[Heft 13/14]
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Roh, Franz: Kunst der Gegenwart München 1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0425

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ster Zug unserer Zeit und gerade der wirklichen
Avantgarde unsrer Gestalter, daß man nicht den
Luxus l'ormen will, sondern den Arbeitstag,
nicht das Bild an der Wand, sondern das Mobi-
liar und Gerät unsres Daseins selber als das
Lebensfunklionale. Ilier liegt — eine Welt-
wende — kulturell mit unabsehbaren Folgen
der bedeutsamste Gegensatz zwischen etwa der
literarischen und künstlerisclien Dekadence um
und nach 1900 einerseits und den Zielen von
heute und morgen andrerseits vor. (Die Kest-
ner-Gesellschaft zu Hannover wird diesenAus-
stellungsgedanken ebenfalls demonstrieren und
weiterführen.) Je melir derartige Vorführun-
gen (überall waren die Preise und Bezugsquel-
len angegeben) in die gesamte normierte Serien-
produklion hinübergreifen, desto breitere Be-
deutung erhalten sie.

Wenig Zukunftswert dürfte die Schau besit-
zen, die zuvor an gleicher Stelle den gewiß ge-
schmackvollen Arbeiten der Offenbaclier
Schreibwerkstatt gewidmet war, die im
ganzen doch rüekwärtsgerichtet ist und nicht
genügenden Anteil nimmt an der Maschine, die
iur uns Heutige gerade das natürlichste
Element darstellt, genau so organisch wie fürs
Mittclalter das Handwerk war. Bcdeulsamer
wieder war die Ausstellung Buntpapier
(Neue Sammlung), wo uns gezeigt wurde, was
für Material-, Farb- und Fakturreize sämtlich
dem Ivunstprodukt Papier äbgewonnen werden
können. Wiederum eine Sache, die mitten in
ilirer schcinbaren Nebensächlichkeit dem gestal-
terischen Leben von lieute und morgen bedeut-
samer werden könnte als manche überschätzte
Frage der holien Kunst.

Einige Ausstellungen wollten uns in andere
Städte oder Länder führen. Die »Ausstel-
lung am e r i kan ische r Kunst« (Kunst-
verein) enttäuschte. Schlechte Auswahl, ohne
Wissen, worauf es hierbei hcute ankommt,
mäßige Hängung. Eindruck hinterließen im-
merhin Fred. Church imd Eliliu Vedder
aus der geschichliichen Abteilung. Von Neucn
etwa D u B o i s , Ernest F i e n e, Edward H o p -
per, Walt Kuhn, Arch. Motley, vor allem

1950

aber John Garroll. Eine gute amerikanische

Max Beckmann Saxophonspieler.

Sammlung Glaser, Berlin

Aus der Beckmann-Ausstellung im Graphischen Kabinett
(Günther Franke), München

Schau bleibt noch zu schaffen. Auch ein Über-

blick über »Dresdner junge K u n s t« (zu Gast bei den Juryfreien) zeigte jene schlechte Vor-
bereitung. Ich mache mich anheischig, eine weit gehaltvollere, dabei vollständigere Schau der jun-
gen Dresdner Malerei zusammenzubringen. (Nicht nur Dix, sondern aucli andere Namen und ganz
wichtige Bilder fehlten.) Die »Kunstblatt-Ausstellung junger Künstler«, aus Bcrlin
übernommen (Kunslverein), enttäuschte ebenfaBs, da manches von ihrem ursprünglichen Bestand
schon nicht mehr zu sehen war. Von dcr Grazer Sezession (Kunstvercin) fesselte nur Wilhelm
Thöny in lieferem Sinne, in welchem ich einen beträchtlichen Maler voller Freiheit des Strichs und
düsterer Wuclit des Gegenständlichen wie der Gestaltung sehe. Dies bestätigte seine Ausstellung bei
C a s p a r i, die hervorragende Zeichnungen aufwies. (Seit Jahren erwähne icli diesen Mann, der
nicht mit dem gleichnamigen Simplizissimuszeichner zu verwechseln ist.) Dankenswert war, daß uns
das Städtische Museum ebenfalls über die Grenzen Münchens hinausführte, als es das Werk Frans
Masereels zeigte, des in Paris lebenden Flamen, der zuerst durch seine links orientierten Graphik-

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