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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

DOI Heft:
Heft 17/18
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Biermann, Georg: Holbeins Bildnis von Charles Brandon Herzog von Suffolk
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0483

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HOLBEINS BILDNIS YON CHARLES BRANDON
HERZOG YON SUFFOLK

VON GEORG BIERMANN

Unsere Kenntnis von der Tätigkeit llolbeins in England ist durch neue Funde, die in
letzter Zeit gemacht wurden, fundamental bereichert worden. So ist als Beispiel für
seinen ersten englischen Aufenthalt das bisher unpublizierte Bildnis der Gattin des Sir
Henry Guildford, des Stallmeisters König Heinrichs VIII., beigebracht worden, das ein-
zige weibliche Bildnis dieser Zeit überhaupt. Für die zweite englische Periode konnten
seinem Oeuvre sogar zwei Bildnisse angereiht werden, von denen das eine Sir William
Butts, den Leibarzt des Königs — ein anderes Bildnis dieses Mannes befindet sich im
Gardner Museum zu Boston -—■, das zweite, bedeutendere, Charles Brandon, den Herzog
von Suffolk, darstellt.

Das Porträt dieses mächtigen Günstlings Heinrichs VIII., der ihm augenscheinlich dem
Charakter nach sehr ähnlich war und dessen Schwager er 1514 durch die Heirat mit
der Prinzessin Mary Tudor, der Schwester des Königs, wurde, ist bisher nur durch einen
Stich Wenzel Hollars bekannt gewesen. Er zeigt einen älteren bärtigen Mann, der,
nach links gewendet, mit Federbarett und Pelzmantel bekleidet ist. Daß die Identifi-
zierung des Dargestellten auf dem Stiche mit Charles Brandon vom Herausgeber des
»Klassiker der Kunst«-Bandes Paul Ganz zu Unrecht in Zweifel gezogen worden ist, be-
weist das neuaufgefundene Bildnis, das derselbe Forscher im Augustheft des » Burlington
Magazine« erstmalig, aber mit einer ungenügenden Abbildung veröffentlicht hat.

Durch einen Vergleich von Bild und Stich kann man ohne weiteres erkennen, daß es
sich um denselben Dargestellten, wenn auch in anderer Haltung und Tracht, handelt.
Er sitzt auf dem Bilde in reiner en face-Ansicht in einem goldgepreßten, mit zinn-
oberrotem Leder bezogenen Armstuhl. Sein Kleid ist aus scharlachrotem Tuch ge-
fertigt, mit gesteppten Ärmeln, die mit einem schwarzgestickten Rand an Handgelenken
und am Hals besetzt sind. Der kurzärmelige schwarze Samtmantel, der am Armel-
ausgang einen Zobelbesatz zeigt, istvon einemUmhang aus schwarzer Seide mit breitem
Zobelfell bedeckt, den das breite Golddekor des Hosenband-Ordens mit dem Anhänger
des reitenden hl. Georg schmückt. Die rechte Hand steckt in einem dunkelgrauen Hand-
schuh, während die linke einen kleinenBlumenstrauß umklammert liält, dem Ganz irgend-
wie eine symbolische Bedeutung zusprechen möchte. Ein dunkelgrüner, mit braunrotem
Muster versehener Vorhang schließt das Porti'ät nach dem Ilintergrund ab.

Eine Kopie des Bildes aus dem Besitz des Herzogs von Bedford in Woburn Abbey ist
im Jahre 1823 von Lodge im ersten Bande seiner »Portraits of illustrious personages
of Great Britain« auf Tafel 13 gestochen worden, ohne den Namen des Malers zu
überliefern. Diese Replik trägt oben das gekrönte Wappen des Herzogs und darunter
eine Inschrift, die den Dargestellten als Charles Brandon, »tlie fairest man at armes in
his tyme« ausweist. Das hier reproduzierte Gemälde war 1890 in derTudor Exhibition
unter Nr. 38 des Kataloges als Werk Holbeins ausgestellt, ohne aber wegen der Über-
malungen, die vor allem die obere Hälfte des Bildes entstelften, beachtet zu werden. In
diesemverfälschtenZustand hat esNorbertFischmannin München aus demBesitzder Lady
Loudon in Schottland, an die das Gemälde aus der Sammlung des Marquis of Hastings
durch Erbschaft gefallen war, erworben; eine Tat, die große Anerkennung verdient.
Eine gründliche Untersuchung des Bildes, die man vornahm, ehe an eine Wiederher-
stellung geschritten wurde, ergab die auffallende Tatsache, daß die untere Hälfte in
Tempera ausgeführt, während der obere Teil vollständig mit Olfarbe übermalt war.
Eine Bestätigung lieferte eine Röntgenphotographie, die unter der Übermalung den
Kopf in guter Erhaltung und in klaren Umrissen zeigte. Bei Entfernung der Über-

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